Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
trank ihm zu, lächelte und hoffte, dass das Lächeln auch in meine Augen stieg. Wem spielte ich hier mehr Theater vor, Trankow oder mir selbst? Für hübsche Jungen wie ihn hatte ich nie eine besondere Vorliebe gehabt. David war kein schöner Mann, er hatte ein kantiges Gesicht und eine nicht ganz makellose Haut, aber er war dennoch sexy. Ich verbot mir weitere Vergleiche zwischen Juri und ihm. Trankow war mein derzeitiges Vergnügen. Es war leicht, mit ihm zusammen zu sein, denn er bedeutete mir nichts. Er war nur eine Informationsquelle und ein Kurzzeit-Lover.
«Warum magst du Luchse?»
Ich hatte nur ganz wenigen Menschen von Frida erzählt, das Thema war zu intim. «Ich mag sie eben. Die Indianer glauben an Totemtiere. Vielleicht ist meins der Luchs.»
Trankow streckte den Arm aus, sodass er meine Hand berühren konnte.
«Es sind herrliche Tiere. Bei Workuta habe ich sie ein paarmal im Wald gesehen.»
«Wirklich? Sie zeigen sich den Menschen nur selten.»
«An Winterabenden bin ich oft nach draußen gegangen, um das Licht der Sterne zu sehen. Ich bin auf meinen Skiern tief in den Wald gelaufen und habe dort so lange still gesessen, wie es bei der Kälte möglich war. Dann sieht man allerlei. Wenn man richtig ausgekühlt ist, kann man sogar Engel sehen. Von einem Luchs habe ich nur das Ohr und das Schwanzbüschel gesehen, als er sich plötzlich umdrehte, weil er mich gewittert hatte. Der andere stand lange auf einem Felsen, bevor er seiner Beute nachsetzte. Den habe ich auf das Bild mit dir gemalt.»
Ich war kurz davor, ihm von Frida zu erzählen, doch da kam Hanna, um nach dem Fondue zu sehen. Danach fragte Trankow mich nach meiner Ausbildung zur Leibwächterin. Ich berichtete ihm von der Sicherheitsakademie Queens, beschränkte mich dabei aber auf Dinge, gegen deren Enthüllung Mike Virtue keine Einwände haben konnte.
«Ich war noch nie in New York. Fährst du irgendwann mit mir hin und zeigst mir die Stadt?», fragte Trankow, doch bevor ich antworten konnte, waren Schritte zu hören. Usko Syrjänen kam zu uns und reckte sich.
«Ach, ihr seid noch beim Essen. Ich leiste euch mit einem Glas Wein Gesellschaft. Julia trinkt ja keinen, wegen der Kalorien.» Syrjänen holte ein Glas und setzte sich neben mich. Trankow wurde rot, ich wusste nicht, ob vor Verdruss oder vor Freude.
Syrjänen redete über das Wetter, er überlegte, ob der Winter wieder hart und schneereich werden würde oder ob er das ganze Jahr hindurch auf seiner Yacht würde fahren können. Ich hätte ihn gern nach der
I believe
II
gefragt, hielt es aber für besser, zu schweigen. Mein Aufenthalt in der Villa hing von Trankow ab: Wenn er seinem Dienstherrn verriet, dass ich ein Verhältnis mit dem Mann gehabt hatte, der für die Explosion verantwortlich war, würde ich schneller rausfliegen, als ich «Luchs» sagen konnte. Aber auch Trankow schien es zu genießen, dass er mehr wusste als sein Chef.
«Ist deine Yacht immer noch im Wasser? Wo liegt sie denn?»
«Im Moment in Helsinki. Ich bringe sie her, wenn ich Zeit habe, oder Juri macht es. Bist du auch Freizeitskipper?»
«Nur im Ruderboot. Ich bin eher fürs Wandern.» Ich trank einen Schluck Wein und beschloss, etwas zu riskieren. «Sogar hier in der Umgebung von Helsinki gibt es überraschend gute Wandergebiete und Pilzgründe. Nuuksio und Porkkalanniemi sind schon ziemlich überlaufen, aber in Kopparnäs gibt es reichlich Platz.»
Syrjänen runzelte die Stirn, als ich Kopparnäs erwähnte, doch daraus ließ sich nicht allzu viel schließen.
«Ich hatte bis vor kurzem eine Ferienhütte in Kopparnäs gemietet und war oft dort. Da habe ich viele Stellen gefunden, wo Pilze wachsen», quasselte ich weiter. «Kennt ihr das Gebiet? Vor vierzig Jahren wollte man dort ein Kernkraftwerk bauen. Ein ziemliches Sicherheitsrisiko, so nahe bei der Hauptstadt.»
Von Trankows Wangen war die Röte verschwunden, er wirkte verlegen. Syrjänen dagegen lächelte freundlich.
«Kopparnäs … Ja, da bin ich auch schon ein paarmal gewesen. Eine schöne Gegend. Du kennst dich also dort aus? Was meinst du, Juri, sollen wir Hilja mitnehmen, wenn wir uns in Kopparnäs umsehen? Gut möglich, dass wir eine sachkundige Führerin gebrauchen können, die die Pilzgründe kennt. Das könnte ein echter Trumpf werden.»
«Ein Trumpf wofür?», fragte ich scheinbar harmlos. «Wollt ihr eine Firma für Naturtourismus gründen?»
«Mal sehen.» Syrjänens Lächeln wurde noch breiter. «Ein rollender Stein setzt
Weitere Kostenlose Bücher