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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Erst eine Minute nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war, wagte ich es, Trankow anzufauchen.
    «Warum zum Teufel quatschst du über meine Vergangenheit als Leibwächterin? Die Zeiten sind vorbei.»
    «Wirklich, Hilja? Ich glaube nicht, dass es dich befriedigt, als Laufmädchen in einem Restaurant zu schuften. Denk doch nur, wie schön es wäre, wenn wir zusammenarbeiten würden – und nicht nur arbeiten …» Trankow wollte mich wieder in die Arme schließen, doch ich schüttelte ihn ab und ging auf die Toilette. Dort rechnete ich nach, wie viel Wein ich getrunken hatte, und kam zu dem Schluss, dass es zu riskant war, zu fahren. Zwar hatte ich mein Glas erst am Ende der Mahlzeit geleert, doch Trankow hatte mir zwischendurch mehrmals nachgegossen. Es blieb mir also nichts übrig, als die Suppe auszulöffeln, die ich mir selbst eingebrockt hatte. Ich betrachtete mein Spiegelbild und musste plötzlich an den Wettbewerb im Rotaugenbraten denken, bei dem Onkel Jari mich immer hatte gewinnen lassen. Am Ende seines Lebens hatte er zwischen Rotaugen geschwommen – in dem Netz, in dem er sich verstrickt hatte, waren zwei der Fische gewesen, ebenfalls tot. Aus irgendeinem Grund war mir diese Einzelheit aus dem Bericht über die Ermittlung der Todesursache im Gedächtnis geblieben.
    Trankow hatte Musik aufgelegt, einen textlosen, schwermütigen Walzer, den ich nicht kannte, der aber sehr russisch klang. Er hatte das Licht wieder gedämpft und saß auf dem Sofa, den Kopf nach hinten gelegt, die Augen geschlossen. Ich setzte mich dazu und lehnte mich an ihn. Für eine lange Zeit schwiegen wir beide, auf den Walzer folgte ein zweiter, dann spielte eine Ziehharmonika eine sehnsuchtsvolle Melodie, die Trankow leise mitsummte.
    «Bist du traurig?», fragte er, als die Ziehharmonika von einem Cello abgelöst wurde.
    «Warum sollte ich?»
    «Wegen Stahl.»
    «Red nicht dauernd über Stahl! Vergiss ihn endlich!», fuhr ich ihn an und verschloss ihm gleich darauf den Mund mit einem Kuss. Bei der Eröffnung des Sans Nom hatte er seine Rachegelüste kaum verbergen können. Vielleicht war das seine Art, sich Genugtuung dafür zu verschaffen, dass ich ihn in Bromarv besiegt hatte: Er verführte mich und drehte dann unaufhörlich das Messer in der Wunde, die David hinterlassen hatte.
    Der Kuss endete damit, dass sich Juri auf dem Sofa ausstreckte und den Kopf auf meinen Schoß legte. Ich wartete auf seinen nächsten Schritt, doch eine ganze Weile lang tat sich nichts. Ich schloss die Augen und gab mich ganz der Musik hin, deren Mollklänge beruhigend wirkten. Juris Kopf wärmte meine Schenkel, und das gemeinsame Schweigen erschien mir viel intimer als ein Liebesakt.
    «Hast du je im Gefängnis gesessen?» Juris Frage kam völlig überraschend. Er hatte sich auf den Rücken gedreht und streichelte meine Wange.
    «Nein. Das wäre wohl auch nichts für mich.»
    «Man sagt, hier in Finnland sei das Gefängnis ein Zuckerschlecken. Fernseher in der Zelle und so. Ich hatte Angst, wegen der Entführung verhaftet zu werden, deshalb habe ich mich mit V… mit Paskewitsch sofort nach Russland abgesetzt. Erst später ist uns aufgegangen, dass wir genauso gut Anklage gegen dich hätten erheben können.»
    «Wurde euer Einreiseverbot deshalb aufgehoben? Habt ihr einen Anwalt eingeschaltet?»
    «Ich jedenfalls nicht. Walentin hat mich irgendwann angerufen und gesagt, die Miliz hätte ihm mitgeteilt, dass wir jetzt wieder unbesorgt nach Finnland reisen können.»
    Es stimmte, dass ich gegen eine ganze Reihe von Paragraphen verstoßen hatte, als ich in die Villa in Bromarv eingedrungen war, wenngleich nur in der Absicht, Helena Lehmusvuo zu befreien. Aber der Fall war abgeschlossen. Nach Laitios Informationen hatte Paskewitsch die finnisch-russische Grenze nicht überschritten, und die Villa war längst verkauft.
    «Und du? Hast du Knasterfahrung?»
    «Das war ein Missverständnis. Und ich habe daraus gelernt.» Trankows Miene verschloss sich, obwohl er das Thema doch selbst angeschnitten hatte. Nach einer Weile fuhr er fort: «Ich bin aus Versehen in eine Demonstration geraten und war zu dumm, zu begreifen, dass sie gefährlich war. Und dann wurden wir auch schon niedergeknüppelt und ins Gefängnis geschleift.» Er schüttelte sich.
    «Wogegen habt ihr denn demonstriert?»
    «Gegen Putin. Während seiner ersten Präsidentschaft. Wir wurden fast zwei Wochen festgehalten, und ich durfte nur ein einziges Mal telefonieren. Walentin hat sich geweigert,

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