Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
mir zu helfen. Er bewundert Putin und meinte, es geschähe mir ganz recht, dass ich für meine Dummheit bestraft würde. Am elften Tag wurde ich freigelassen, aber man hat mir eine Geldstrafe von tausend Rubel aufgebrummt. Ich habe gar nicht erst versucht, Walentin um das Geld zu bitten, sondern mein Handy versetzt und schnell ein paar Bilder gemalt, die ich an den Metrostationen verkauft habe. Wenn ich die Summe nicht aufgebracht hätte, wäre ich wieder ins Gefängnis gekommen.»
Seine Stimme klang verbittert. Laitio hatte gesagt, Trankow sei als Jugendlicher in einer russischen Erziehungsanstalt gewesen. Meiner Vorstellung nach waren diese Anstalten nicht besser als Gefängnisse. Aber ich wollte nicht alles über Juri wissen. Wesentlich war, dass er keineswegs vollkommen aufrichtig mit mir sprach. Ich musste also weiterhin auf der Hut sein.
«Ich will nie mehr in Russland leben. Im Gefängnis wurde ich dermaßen verprügelt, dass zwei Rippen gebrochen sind. Sie haben behauptet, ich wäre bei der Festnahme gestolpert. Syrjänen hat mir mit der Aufenthaltsgenehmigung geholfen, und wenn ich lange genug hier gewohnt habe, beantrage ich die finnische Staatsbürgerschaft. Die werde ich wohl bekommen, schließlich habe ich eine feste Anstellung.»
«Hast du noch Kontakt zu deinem Vater?»
«Zu Paskewitsch? Nein. Der Kerl hat mich nie anerkannt, er hat sich geweigert, mir seinen Namen zu geben.»
Als ich unwillkürlich auflachte, sah Juri mich beleidigt an.
«Es hat dir wohl niemand gesagt, was der Name auf Finnisch bedeutet?» Ich erklärte ihm auf Englisch, dass die Finnen den Namen seines Vaters automatisch mit dem Wort
paska
, Scheiße, in Verbindung brachten. Ein Lächeln huschte über Juris Gesicht. Ich beugte mich spontan zu ihm und küsste ihn. Wir versuchten wohl, uns gegenseitig zu trösten, und wahrscheinlich mochte ich ihn auch ein bisschen, denn ich fing an, ihn auszuziehen, ihn aufzustacheln, ihn an meine Lippen, in mich, unter mich, auf mich zu ziehen. Schließlich fielen wir vom Sofa auf den Fußboden, der sich unter meinem Rücken warm anfühlte, und Juri entfuhr wieder das seltsame, schluchzende Geräusch. Ich biss ihn in die Brust und ließ ihn erst los, als ich noch einmal gekommen war. Danach war ich völlig entspannt und wäre wohl auf dem Fußboden eingeschlafen, wenn er nicht so hart gewesen wäre. Juri machte die Schlafcouch zurecht, holte Decken, Kissen und Laken. Wir schliefen nebeneinander ein, mein Rücken an seinem Bauch, die Arme verschränkt, seine Lippen an meinem Nacken. Ich schlief traumlos.
Als ich am Morgen erwachte, war Juri schon auf. Er stand nackt vor der Schlafcouch und richtete meine eigene Waffe auf mich.
«Warum hast du die mitgebracht? Vertraust du mir nicht?» Er sah mich wieder so an wie bei der Eröffnung des Sans Nom, die Augen voller Hass.
Ich zog die Decke hoch, obwohl sie keinen Schutz vor Kugeln bot.
«Ich traue keinem.»
«Aber du gehst mit einem Mann, dem du nicht traust, ins Bett?»
«Spiel nicht den Moralapostel, Juri! Hast du etwa nicht sicherheitshalber die eine oder andere Waffe hier im Atelier und ein paar weitere im Hauptgebäude? Syrjänens Geschäftspartner sind keine Lämmchen, bei ihnen muss man immer auf der Hut sein. Stimmt das etwa nicht?»
«Ich bin Architekt und Künstler! Die Zeiten, in denen ich eine Waffe und K.-o.-Tropfen bei mir hatte, sind vorbei. Ich bin jetzt ein ehrlicher Mensch und will nicht belogen werden!» Trankows Hand zitterte leicht. Ich hatte die Glock nicht geladen – nur Verrückte schleppten eine geladene Waffe in der Handtasche herum –, doch ich konnte nicht erkennen, ob Trankow Patronen eingelegt hatte.
«Wieso wühlst du überhaupt in meiner Handtasche herum? Und so einer hat die Stirn, von Vertrauen zu reden!»
Trankow wurde rot. «Ich habe nicht darin rumgewühlt. Ich wollte nur etwas hineinlegen. Eine Überraschung, die du erst später finden solltest.»
«Gib mir die Waffe, mit dem Griff voran!» Ich stand vorsichtig auf. Das Wichtigste in einer Kampfsituation ist nicht immer, wer der Stärkste ist, sondern wer die besseren Nerven hat, das hatte Mike Virtue oft gesagt. Trankow hatte unvorsichtig gehandelt, er hatte seine weiche, verletzliche Bauchdecke entblößt, und wenn nötig würde ich meine Fingernägel und Zähne hineinschlagen.
Er sah mich kopfschüttelnd an. Der Hass in seinen Augen hatte sich ein wenig abgeschwächt. «Ich habe dir vertraut», sagte er leise. «Auch ich traue nicht jedem.
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