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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Vertretung zu bekommen. Bevor ich aufbrach, las ich Davids Brief noch mehrere Male. Ich begriff nicht, wieso er nur von einer verschlossenen Schublade sprach. Er wusste doch wohl, dass es zwei waren und dass ich beide aufgebrochen hatte? Wer hatte das überhaupt festgestellt, nachdem es der Polizei entgangen war?
    Und warum erwähnte David im Einzelnen nur den Ring, aber weder das Kaleidoskop noch den USB -Stick? Hatte er befürchtet, sein Brief könne in falsche Hände geraten? Nun bereute ich, dass ich ihn sorglos aufgemacht hatte, ohne den Umschlag genauer zu inspizieren. Womöglich hatte ihn vor mir schon jemand über Dampf geöffnet.
    Ich schnaubte. War ich tatsächlich bereit zu glauben, dass Davids Feinde Helfershelfer bei der litauischen und bei der finnischen Post hatten? In Davids Fall konnte mich allerdings gar nichts mehr überraschen. Er war im März nach Finnland gekommen, unbemerkt wie ein Luchs, der auf seinen Ausguck schleicht, und die Tatsache, dass im Herbst jemand beim Sans Nom herumgekrochen war, deutete darauf hin, dass irgendwer vermutete, David sei immer noch in Finnland, und zwar bei mir. Ich erinnerte mich an die seltsame, schattenhafte Gestalt, die ich bei meinem ersten Besuch in Syrjänens Villa am Meeresufer gesehen hatte. Es konnte nicht David gewesen sein! Allerdings geschähe es ihm ganz recht, wenn er am Fenster gestanden und spioniert hätte, als ich mich mit Juri Trankow geliebt hatte und in seinen Armen eingeschlafen war. Verdammt recht!
    Im Laufe des Abends hätte ich beinahe die Schälmaschine kaputt gemacht, weil ich aus Versehen einen Löffel hineinwarf, und außerdem bekleckerte ich eine Stammkundin mit Tomatensuppe. Es machte mich rasend, dass David Stahl immer noch so stark auf mich wirkte. Ich sah seine hellblauen Augen vor mir, so lebensecht, als stünde er mir gegenüber.
    «Leck mich am Arsch, David Stahl! Ich mache mir absolut nichts mehr aus dir», flüsterte ich, als ich im Kontrollraum routinemäßig die Kamera am Hintereingang überprüfte. Sie zeigte nur eine leere Schneefläche. Die Bezirksmeisterschaft im Lügen konnte ich mir nun auch abschminken, ich vermochte nicht einmal mehr mich selbst zu beschwindeln.

21
    Erst in der Straßenbahn begann ich mich zu fragen, ob ich eine komplette Idiotin war. Nach David Stahl wurde wegen des Mordes an Dolfini gefahndet, ich hatte den Helsinkier Kriminalbeamten Informationen vorenthalten, und Laitio war ihr Kollege. Er musste wohl melden, dass der Gesuchte vor zwei Wochen in Kaunas gewesen war, andernfalls ließ er sich ein Dienstvergehen zuschulden kommen. Dann schnitt ich mir in Gedanken eine Grimasse. Warum glaubte ich, David schützen zu müssen? Wenn er geschnappt wurde, bekam er nur, was er verdiente.
    In der Urheilukatu schob ein Bobcat den Pulverschnee zusammen, der geheizte Rasen des Fußballstadions sah unnatürlich grün aus. Ich holte tief Luft, bevor ich klingelte. Laitio brummte etwas in die Sprechanlage, und als ich die Treppe hochkam, erwartete er mich an der Tür zu seinem Arbeitszimmer. Wir hatten uns sechs Wochen nicht gesehen, und ich erschrak über die Veränderung, die in dieser kurzen Zeit mit ihm vorgegangen war. Seine Haut war grau geworden, er hatte Haare verloren, und sein Schnurrbart hing schlaff herab. Unter den Augen hatte er zweifache Tränensäcke, und seine Wangen schlackerten wie bei einem Spürhund. Sein Hals war faltig. Offenbar hatte Laitio abgenommen, denn der altbekannte senfbraune Pullover schlotterte ihm am Leib.
    «Hallo. Nimm Platz. Ich habe uns Kaffee gekocht.»
    Ich lehnte die Zigarre ab und schaute zu, während Laitio das Ritual des Anschneidens vollzog und einen tiefen Zug rauchte, bevor er den Kaffee eingoss. Er reichte gerade für zwei Becher, aber Laitio hatte offenbar eine Espressoröstung verwendet. Meine Portion enthielt so viel Koffein, dass ich bald an der Wand entlangtaumeln und Herzrasen bekommen würde.
    «Wie geht’s?», fragte ich und riskierte noch einen zweiten Schluck.
    «Beschissen. Man will mich loswerden. Frühpensionierung und blabla. Der ganze Mist. Rytkönen hat einen Großteil der Chefs auf seine Seite gezogen, nur die oberste Führung schwankt noch. Ich war schon Polizist, als der Kerl noch in die Windeln geschissen hat! Wenn du etwas herausgefunden hast, was ihn belastet, spendiere ich dir für den Rest deines Lebens Zigarren. Aber sprechen wir zuerst über Stahl. Hast du den Brief?»
    Ich holte den Umschlag aus der Tasche und gab ihn Laitio.
    «Und du

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