Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
bist sicher, dass er von Stahl ist?»
«Es ist seine Handschrift, und solche Karten haben wir gemeinsam in Huelva gekauft. Auch der Name Lusis weist auf ihn hin, er bedeutet nämlich Luchs.»
«Der Mann schleppt also eine Ansichtskarte kreuz und quer durch Europa, um dir bei passender Gelegenheit mitzuteilen, dass er am Leben ist. Wie romantisch», bemerkte Laitio säuerlich und hüllte sich in eine Rauchwolke. Aus dieser Perspektive hatte ich das Ganze bisher nicht betrachtet, plötzlich wurde mir warm ums Herz. Laitio schaltete seinen Computer ein.
«Ich weiß nicht, wer es da in Italien geschafft hat, dass Stahl als Dolfinis Mörder verdächtigt wird. Es muss jemand sein, der gute Beziehungen zur örtlichen Polizei besitzt.»
«Du hältst ihn also nicht für schuldig?»
«Nein, und Caruso auch nicht. Irgendwer will Stahl schnappen, weil er zu viel weiß. Und das bedeutet, dass es bei Europol mindestens einen gibt, der sich hat kaufen lassen – sofern derjenige nicht Stahl selbst ist. Außerdem sitzt ihm wahrscheinlich auch dieser Weißrusse im Nacken. Unseren Erkenntnissen zufolge war ein Teil des Geldes, das Gezolian von Wasiljew bekommen hat, gefälscht.»
«Willst du damit sagen, Stahl hat in die eigene Tasche gewirtschaftet?»
«Was meinst du wohl, wovon er in den letzten zwei Jahren gelebt hat?»
Also hatte auch ich von dem Geld für die dreckige Bombe gegessen und getrunken, Autos gemietet, mich in Andalusien und in der Toskana vergnügt. Der Kaffee stieß mir plötzlich sauer auf.
«Aber immer noch besser, Stahl hat das Geld statt Gezolian. Der hockt in Weißrussland, wo man nicht an ihn herankommt. Ein besonderer Schützling des Präsidenten und der sonstigen Gauner, versteht sich. Aber was macht Stahl in Litauen?»
«Sucht sein Kind.» Ich erzählte Laitio, was ich von Trankow erfahren hatte, ohne die Quelle zu nennen. Er hörte aufmerksam zu und fragte dann, ob Stahl mir von seinem Nachwuchs erzählt habe. Nun musste ich mit der Wahrheit herausrücken.
«Nein, nicht Stahl … Angeblich hat er selbst erst kürzlich erfahren, dass das Kind doch zur Welt kam.»
«Na, von wem hast du es denn dann gehört?»
«Von Juri Trankow.»
Laitio prustete sich Kaffee auf den Pullover. «Von Trankow? Von dem Ganoven, von Rytkönens Handlanger? Dem darfst du kein Wort glauben. Der Kerl hat es faustdick hinter den Ohren.»
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, schaffte es aber, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. «Rytkönens Handlanger – wie meinst du das? Ich dachte, die beiden kennen sich nicht.»
«Scheiße findet zu Scheiße. Glaubst du, Syrjänens Rolle bei Wasiljews Aktionen wäre nicht untersucht worden? Der gute Syrjänen wird seither von der Auslandsabteilung der Zentralkripo beobachtet. Zuerst war natürlich ich dafür zuständig, aber Rytkönen hat den Fall an sich gezogen. Und was wäre nützlicher, als Syrjänen einen Spitzel als Vertrauensmann unterzujubeln? Paskewitsch hat sich bei der missglückten Entführung der Lehmusvuo so arg die Finger verbrannt – oder sollte ich in diesem Zusammenhang besser einen anderen Körperteil nennen? –, dass er sich nicht mehr nach Finnland wagt, obwohl das Einreiseverbot aufgehoben wurde. Aber sein Bastard ist ein anderes Kaliber. Was glaubst du denn, wer hinter der Aufhebung steckt? Rytkönen natürlich.»
Mein Herzklopfen rührte nicht nur vom Kaffee. Ich sah Trankow und Rytkönen im Sans Nom beieinandersitzen. Ihre Begegnung war also doch kein Zufall gewesen, und ihre Unterhaltung, so unverfänglich sie für Außenstehende klang, hatte möglicherweise verschlüsselte Botschaften enthalten.
«Wo hast du überhaupt mit Trankow geredet? Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich von ihm fernhalten.»
«In der Villa, die Syrjänen in Långvik gemietet hat. Ich habe ihm Modell gestanden.»
Laitio seufzte schwer. Er versuchte vergeblich, die Kaffeeflecken vom Pullover zu reiben. Als sein Handy klingelte, warf er einen Blick auf das Display und meldete sich: «Was jetzt? Ich bin mitten in der Arbeit!» Was am anderen Ende gesagt wurde, hörte ich nicht, aber Laitios Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
«Natürlich ist es mir recht. Wie gesagt, ich habe zu arbeiten. Iss ruhig mit Irmeli zu Mittag. Ich finde schon etwas. Nein, ich vergesse nicht, Koch zu füttern. Bussi, Bussi, Häschen.» Bei den letzten Worten wirkte er leicht geniert. Auch ich legte nicht unbedingt Wert darauf, zu wissen, wie Laitio seine Frau anredete.
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