Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
sodass schließlich nur Monika und ich zurückblieben.
    «Ich hätte die Aufnahmen natürlich der Polizei ausgehändigt, wenn darauf jemand zu sehen gewesen wäre, der Ripa Schnaps anbot. Auf dem Band war auch nicht zu sehen, wie er starb, denn er war genau im toten Winkel zusammengebrochen.» Ich täuschte Entsetzen vor, obwohl das einzige Gefühl, das ich empfand, blanke Wut war. Die Polizisten mussten sich doch auch darüber wundern, dass die Flasche nicht gefunden worden war! Hatte Rytkönen in aller Ruhe zugeschaut, wie Ripa die tödliche Dosis trank, dann die Flasche mitgenommen und den Penner an seinem Erbrochenen ersticken lassen? Das Hosenbein und der Schuh reichten als Beweis gegen einen hochrangigen Polizeibeamten nicht aus. Und welchen Grund hätte Rytkönen denn haben sollen, Ripa zu töten? Das würden seine Kollegen denken, und deshalb hielt ich den Mund, statt den Polizisten Hilfe anzubieten. Der Bärtige kam immerhin auf die Idee, zu fragen, ob einer von uns eine Flasche gefunden hatte, aus der Risto Haapala eventuell getrunken haben könnte. Ich brauchte nicht zu lügen, als ich nein sagte.
    Der Besuch der Polizisten war ein passender Anlass, noch einmal mit meinen Kollegen über Ripas Tod zu sprechen, doch dabei kam nichts Neues zutage. Veikko und Ripa hatten sozusagen zur Einrichtung gehört, sie waren eine Art menschlicher Kompostierer gewesen, dessen Fehlen uns ein wenig traurig stimmte. Jouni meinte, wenn es wieder Frühling würde, bekäme die Zeitungskiste sicherlich neue Bewohner. Ich überlegte, welches der richtige Zeitpunkt, Ort und Weg wäre, Rytkönen zu berichten, dass ich von seiner Tat wusste. Letztlich beschloss ich, nichts zu übereilen: Möglicherweise hatte dieses Wissen eines Tages Handelswert. Sicherheitshalber kopierte ich die Aufnahmen noch auf zwei weitere USB -Sticks, die ich an verschiedenen Stellen in unserer Wohnung versteckte. Die Rückkehr von Monikas Vetter näherte sich, ich würde mir bald einen neuen Unterschlupf suchen müssen. Wenn ich mir ein Auto kaufte, konnte ich vielleicht wieder nach Torbacka ziehen, falls die Hütte noch frei war. Dort wäre ich nahe genug bei dem Gelände in Kopparnäs, auf das Syrjänen es abgesehen hatte.
     
    Am nächsten Tag stach mir auf dem Weg zur Arbeit die Schlagzeile einer Boulevardzeitung ins Auge: Usko Syrjänen und die schöne Julia – Verlobung! Ich nahm die Zeitung vom Ständer und schlug sie auf. Syrjänen lächelte zuckersüß, während Julia den Mund verzog. Dem Bericht zufolge war Julia Gerbolt, 28 , bereits einmal verheiratet gewesen, und Syrjänen hatte ihretwegen seine derzeitige Ehefrau verlassen, war aber noch nicht rechtskräftig geschieden. Seine Noch-Ehefrau forderte die Hälfte seines Eigentums. Es war also kein Wunder, dass er in Långvik nur zur Miete wohnte. Über Syrjänens Geschäftstätigkeit wurde lediglich berichtet, dass sich sein stark expandierendes Unternehmen auf das Baugewerbe und auf Einkaufszentren spezialisiert hatte und er mit allen wichtigen Politikern befreundet war. Weiter hieß es, Syrjänen habe vor zwei Jahren den zwielichtigen russischen Geschäftsmann Boris Wasiljew kennengelernt, der bei einer Explosion auf Syrjänens Yacht ums Leben gekommen war.
    Über Julia Gerbolt wusste man nur, dass sie aus Moskau stammte und in Russland als Fotomodell gearbeitet hatte und dass ihr erster Mann, ein dreißig Jahre älterer Ölmagnat, im Vorjahr einem Herzinfarkt erlegen war. Julia und Syrjänen waren sich auf einer Party bei gemeinsamen Bekannten in St. Petersburg begegnet. Die künftige Frau Syrjänen schien zu denjenigen zu gehören, die ein Näschen für Geld hatten. Ich spürte auch Blutgeruch hinter dem Geld, das Julia Gerbolt von ihrem ersten Mann geerbt hatte. Konnte ich ablehnen, wenn Syrjänen mir eine Stelle als Leibwächterin seiner künftigen Frau anbot? Ich würde in den inneren Kreis vordringen, dahin, wo auch David gewesen war.
    Am Freitag vor dem Nationalfeiertag wollte ich gerade zur Straßenbahn aufbrechen und zur Arbeit fahren, als ein Haufen Post durch den Briefschlitz fiel. Einer der Umschläge war an mich adressiert. Ich hatte bereits einige Weihnachtsgrüße von ehemaligen Mitschülern in New York bekommen, denen ich meine aktuelle Adresse über die geschlossene E-Mail-Liste unseres Kurses mitgeteilt hatte. Auf dem Umschlag befand sich der Stempel «Nachsendung», und in ihm lag ein zweites Kuvert. Ich öffnete es und sah als Erstes die Ansichtskarte. Sie zeigte keines

Weitere Kostenlose Bücher