Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Kaleidoskop mit bloßen Händen angefasst hatte. Fingerabdrücke waren mir nur an der Sicherheitsakademie Queens abgenommen worden, und zwar ausschließlich für den internen Gebrauch. Mike Virtue vertraute ich felsenfest, doch andere Mitarbeiter der Akademie waren möglicherweise bestechlich. Vielleicht lagen meine Abdrücke in den Archiven von CIA und FBI , aber deren Agenten gehörten wohl nicht zu denjenigen, die hinter David und damit auch hinter mir her waren. Die Bedrohung schien eher von Leuten auszugehen, die im Kalten Krieg auf der anderen Seite gestanden hatten.
In dem Briefumschlag lag ein zweites Kuvert, ein alltäglicher brauner Umschlag im Format C 4 . Darauf stand hastig hingekritzelt Davids Name. Der Umschlag war zugeklebt. Ich öffnete auch ihn. Als ich darin einen dritten, gepolsterten Umschlag im Format C 5 fand, hatte ich das Gefühl, mit einer Matrjoschka-Puppe zu spielen, die immer kleiner wurde, bis nichts mehr übrig blieb. Zum Glück war unter der Blisterpackung etwas Hartes, Viereckiges zu spüren. Ich war so aufgeregt, dass ich den gepolsterten Umschlag aufriss und Pappfetzen auf den Boden segelten. Zwei kleine, in Seidenpapier gewickelte Päckchen kamen zum Vorschein. Ich öffnete das größere zuerst. Darin lag ein ganz normaler, weiß und violett gemusterter USB -Stick.
Weil ich mich von allem losmachen und nur für David da sein wollte, hatte ich meinen Laptop nicht in die Toskana mitgenommen. Er stand in Frau Voutilainens Wohnung in der Untamontie. Im Foyer des Hotels gab es höchstwahrscheinlich Gästeterminals, aber ich wagte nicht, den Stick in aller Öffentlichkeit zu überprüfen. Ich wickelte den kleineren Gegenstand aus. Es war ein Ring, ein schmaler Goldreif, in den drei rote Steine eingelassen waren, offenbar Rubine. Für David war er viel zu klein, eindeutig ein Frauenring. Er passte gerade an meinen linken Ringfinger, allerdings wurde es beim zweiten Gelenk knapp. Vergeblich suchte ich nach einer Gravur.
Hatte David den Ring für mich gekauft? Hatte er vorgehabt, um meine Hand anzuhalten? In Finnland war es nicht üblich, dass der Mann den Verlobungsring im Voraus kaufte, denn die emanzipierten finnischen Frauen wollten sich ihren Schmuck selbst aussuchen. Ich konnte Rubine nicht leiden, sie erinnerten mich zu sehr an Blutstropfen. Aber woher hätte David das wissen sollen? Über solche Dinge hatten wir nie gesprochen. Wir hatten beide gewusst, dass es unmöglich war, unsere Beziehung amtlich zu machen. Je weniger Informationen über David registriert waren, desto besser, und eine Ehe mit Daniel Lanotte wäre vor dem Gesetz ungültig gewesen, denn David hatte seinen Namen ja nicht offiziell geändert.
Vielleicht fand sich auf dem USB -Stick eine Erklärung für den Ring. Die Computer im Hotelfoyer kamen nicht in Frage, aber es gab in Helsinki ja genug Internet-Cafés. Allerdings misstraute ich auch denen. Sollte ich doch in die Untamontie gehen und mir den Schlüssel zu Frau Voutilainens Wohnung holen? Das Hotelzimmer würde ich trotzdem bezahlen müssen.
Ich beschloss aufzubrechen. Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte, um den Biergeschmack zu beseitigen, wechselte ich die von der Reise verschwitzte Bluse gegen eine frische. Dann verstaute ich den Ring und den USB -Stick im Münzfach meiner Brieftasche. David hatte über meine Männerbrieftasche gewitzelt. Aber sie war praktisch, denn ich konnte sie auch dann benutzen, wenn ich mich als Mann verkleidete, in die Haut meines Alter Egos Reiska Räsänen schlüpfte. Ich brauchte nur meinen Führerschein mit Reiskas gefälschtem zu vertauschen, der allerdings ein Risiko darstellte. Wenn man mich damit erwischte, würde ich wegen Urkundenfälschung angeklagt werden und meine Lizenz verlieren. Momentan befanden sich Reiskas Führerschein und seine sonstigen Sachen am selben Ort wie meine legale Waffe, in einem einbruchssicheren, feuerfesten Schrank in meiner Hütte in Hevonpersiinsaari. Ich hatte Reiska nicht mehr gebraucht, seit ich vor gut einem Jahr zu David nach Spanien gereist war. Bisweilen vermisste ich meine nassforsche Paraperson sogar.
Als ich das Zimmer verlassen wollte, spürte ich, wie das Handy in meiner Tasche vibrierte. Ich holte es heraus, doch da ich die Nummer des Anrufers nicht kannte, meldete ich mich nicht, sondern zog die Zimmertür wieder zu und wartete. Gleich darauf zeigte mein Handy eine neue Nachricht auf der Mailbox an. Ich gab den Code ein.
«Hallo, Hilja, Monika hier. Ruf an, wenn du
Weitere Kostenlose Bücher