Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
der afrikanischen Armen mit der finnischen Version kombinieren könnte.»
«Buttermilchsuppe und Maniok?» Ich wollte Monika wenigstens ein kleines fröhliches Lächeln entlocken, und mit meiner flapsigen Bemerkung schaffte ich es.
«Du hast mir so oft erzählt, was du als Kind bei deinem Onkel Jari zu essen bekommen hast. Selbstgeangelte Fische, selbstgepflückte Beeren, Fleisch aus dem Laden bekam nur dieser Luchs …»
«Frida.» Den Namen auszusprechen war immer noch wie ein Ritual, ich würde nie über Fridas Verlust hinwegkommen. Mutter, Onkel Jari, Frida … Und auch David war wieder spurlos verschwunden. Monika durfte mich nicht verlassen!
«Chez Monique oder vielleicht Onkel Jaris Kantine? Namensvorschläge sind willkommen.» Jetzt waren Monikas Augen wieder wie früher, sie strahlten vor Begeisterung. «Bist du momentan arbeitslos? Ich hätte einen Job für eine starke, zupackende Frau, die notfalls auch als Ordnerin einspringen kann. Von mir aus kannst du sofort anfangen.»
Genau das wollte ich. Die Zeit, in der ich für Monika gearbeitet hatte, war die beste meines Lebens gewesen. Ich brauchte einen Lebensinhalt, denn seit Onkel Jaris Tod hatte ich mich im Grunde von einem Job zum nächsten treiben lassen. Wortlos nickte ich. Monika sprudelte über vor Ideen für ihr Restaurant. Sie versuchte ganz offensichtlich, die Möglichkeit, dass sie an einer schweren Krankheit litt, die ihre Pläne vereiteln konnte, zu verdrängen. Auch ich mochte nicht daran denken. Monikas Ideen nahmen mich gefangen, und erst nach einer ganzen Weile fiel mir wieder ein, dass ich einen Computer brauchte. Monika hatte mir gerade vorgeschlagen, sofort zu ihr zu ziehen. Bis ihr Vetter Ende Mai aus Indien zurückkam, würde sie eine neue Wohnung für uns beide gefunden haben. Wir klammerten uns aneinander, weil wir beide allein waren.
Dennoch sagte ich, diese Nacht würde ich im Hotel verbringen, da ich das Zimmer schon bezahlt hätte und den Ausblick über die Dächer von Helsinki genießen wolle. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Sobald ich wusste, was Davids USB -Stick enthielt, würde ich entscheiden, wie viel ich Monika verraten durfte. Also bat ich sie, mir für eine Nacht ihren Laptop zu leihen.
Monika kannte mich gut genug, um zu erraten, dass ich etwas im Schilde führte. Dennoch willigte sie ein. Ich versprach, am nächsten Tag zurückzukommen, spätestens am frühen Abend, nachdem ich einige meiner Sachen aus Frau Voutilainens Wohnung geholt hatte und Monika beim Arzt gewesen war. Mein Angebot, sie zu dem Termin zu begleiten, lehnte sie ab. Ich riet ihr, bald schlafen zu gehen. Der Eifer in ihren Augen war erloschen, und sie war wieder blass wie roher Hefeteig.
Vor dem einzigen Aufzug zu den oberen Etagen des Hotels stand eine Gruppe japanischer Touristen Schlange. Ich nahm die Treppe, doch nach zwei Stockwerken versperrte mir eine Pforte den Weg. Natürlich hätte ich mit einem Satz hinüberspringen können, doch um kein unnötiges Aufsehen zu erregen, kehrte ich nach unten zurück. Mit den letzten zierlichen Japanerinnen zwängte ich mich in den Lift. Sie waren etwa vierzig Zentimeter kleiner als ich und hatten so vogelzarte Knochen, dass ich ihnen mühelos das Handgelenk oder das Genick hätte brechen können. Es lockte mich, in der Atelierbar noch etwas zu trinken, doch ich widerstand der Versuchung und stieg in meiner Etage aus. Die Abenddämmerung hatte sich über Helsinki gesenkt, auf den Straßen und in den Parks flackerten Lichter, und weit draußen auf dem Meer war ein mit hellen Lampen geschmücktes Segelschiff zu sehen, auf dem offenbar ein Fest gefeiert wurde. David war Segler, David … Zum Teufel mit David! Es wurde Zeit, herauszufinden, was er mir verheimlicht hatte.
Ich fuhr den Laptop hoch und steckte den Stecker in die Dose. Zur Begrüßung erschien das Foto einer großen Schale Obstsalat auf dem Bildschirm. Apfelsinen, Mangos, Honigmelonen und Kumquats leuchteten in mannigfachen Orangetönen, das Gelb von Zitrone und Ananas wetteiferte mit dem Rot der Kirschen und Erdbeeren. Dieses Bild war schon seit Jahren Monikas Kraftquelle, sie hatte offenbar keinen Grund gesehen, es zu wechseln. Ich selbst installierte auf meinen Computern nie individuelle Bildschirmschoner, denn sie hätten zu viel über mich verraten. Und das Bild, das dafür in Frage gekommen wäre, besaß ich ohnehin nicht in elektronischer Form. Von Frida hatte ich nur zwei im Laufe der Jahre verblasste Aufnahmen, die Onkel Jari in
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