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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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kannst. Ich bin wieder in Finnland und bleibe hier. Es geht mir nicht so gut.» Monika hatte die Nachricht auf Finnisch hinterlassen. Ihre Stimme klang schriller als in ihrer Muttersprache Schwedisch.
    Ich rief sofort zurück.
    «Hallo, Monika! Ich habe deine Nummer nicht erkannt. Wie geht’s?»
    «Der Anschluss ist neu, ich habe den alten gekündigt. Bist du noch in Italien?»
    «Ob du es glaubst oder nicht, ich bin heute zurückgekommen.» Unmittelbar vor meiner Abreise in die Toskana hatte ich Monika eine Mail nach Mosambik geschickt. Wir hatten uns lange nicht gesehen, denn Monika führte seit fast vier Jahren in einer der ärmsten Gegenden von Mosambik ein Restaurant, in dem Hungrige kostenlos verpflegt wurden. Diese Wende im Leben der Spitzenköchin hatte seinerzeit reichlich Aufsehen erregt. Man hatte Monika einerseits als überspannte Idealistin betrachtet, andererseits als finnlandschwedische Millionärin, die es sich leisten konnte, Geld in das bodenlose Fass der Entwicklungshilfe zu werfen. Die Wahrheit lag in irgendeinem dritten Universum, das nur wenige überhaupt wahrnahmen.
    «Du bist also in Helsinki? Hättest du Zeit, dich mit mir zu treffen? Ich würde dir meine Neuigkeiten lieber von Angesicht zu Angesicht erzählen. Vorläufig wohne ich in der Bude meines Vetters in der Yrjönkatu, er ist bis Ende Mai in Indien.»
    «In der Yrjönkatu? Das gibt es doch nicht! Ich bin im Torni, ganz in der Nähe. Und ich kann sofort kommen. Hast du einen Computer?»
    Monika von Hertzen war einer der wenigen Menschen auf der Welt, denen ich vertraute. Im Moment vielleicht sogar der einzige, da David mich hintergangen hatte.
    «Ja. Und die Wohnung liegt direkt gegenüber. Hier ist Platz genug für dich, du brauchst kein Geld für ein Hotelzimmer auszugeben. Der Türcode ist 6664 .»
    «Mal sehen. Bis gleich!»
    Erst im Aufzug registrierte ich, was Monika gesagt hatte.
Es geht mir nicht so gut.
Mit langen Schritten legte ich die wenigen Meter zu dem Haus zurück, in dem Monika vorläufig Unterkunft gefunden hatte, und tippte den Türcode ein. Da sich der Lift im obersten Stockwerk befand und Monikas Vetter der Namenstafel zufolge im ersten Stock wohnte, lief ich die Treppe hinauf. Ein Treffen mit Monika war genau das, was ich brauchte. Sie hatte immer wieder versucht, mich zu einem Besuch in Mosambik zu überreden, doch ich hatte mein ganzes Geld dafür verbraucht, David nachzureisen.
    Die Frau, die mir die Tür öffnete, sah vertraut und doch fremd aus. Vor ihrem Aufbruch nach Afrika hatte sich Monika die blonden Haare noch kürzer schneiden lassen, als sie ohnehin schon waren, aus dem Pagenkopf war eine Jungenfrisur geworden. Sie wurde schnell braun und sah immer so aus, als käme sie gerade von einem zweiwöchigen Segeltörn. Monika war nicht besonders groß, vielleicht eins sechzig; die Delikatessen, die sie zubereitete, hatten sich an ihrem sehnigen Körper nie abgelagert.
    Die Monika, die ich jetzt zu Gesicht bekam, wirkte verhärmt. Ihre Haut war zwar gebräunt, aber nur an der Oberfläche, darunter schimmerte Blässe. Die Lachfältchen um die Augen und den Mund hatten sich tief eingegraben, aber nicht als Folge fröhlichen Lachens. Ihre Haare waren ausgebleicht und zu beiden Seiten des Kopfes zu dünnen Rattenschwänzchen gebunden. Monika war zerbrechlich geworden. Als sie mich umarmte, spürte ich ihre Knochen.
    «Guten Tag, Hilja! Schön, dass du so schnell kommen konntest.»
    Monika sprach immer noch Finnisch. Ich selbst hatte erst richtig Schwedisch gelernt, als ich für sie arbeitete, denn weder in meiner Kindheit in Ostfinnland noch in New York hatte ich für mein Schulschwedisch Verwendung gehabt. Früher war Schwedisch für mich speziell Monikas Sprache gewesen, dann war es auch Davids Sprache geworden, so sehr, dass einzelne Worte mir David ins Gedächtnis riefen. Vielleicht war es eine Erleichterung, dass Monika jetzt finnisch mit mir sprach.
    Die Wohnung in dem Jugendstilhaus war farbenfroh eingerichtet; Monikas Vetter schien Saiteninstrumente und Buddha-Bilder zu sammeln. Ich hatte geradezu Angst, versehentlich etwas zu zerbrechen. Ich setzte mich auf ein niedriges Sofa mit Seidenbezug, und Monika ließ sich vorsichtig auf dem Gegenstück nieder.
    «Ich habe Tee aufgebrüht», sagte sie. «Du trinkst wohl immer noch lieber Tee als Kaffee?»
    Ein ordentlicher Schnaps wäre mir am liebsten gewesen. Als Monika die Beine auf das Sofa legte, erschrak ich über die Langsamkeit ihrer Bewegungen.
    «Ich

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