Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Decknamens Kass meldete. Als ich fertig war, wagte ich immer noch nicht, Laitios Blick zu begegnen, sondern sah zum Fenster und hüllte mich, so gut es ging, in eine Rauchwolke. Ich wäre froh gewesen, wenn ich so lange und kräftige Haare gehabt hätte wie Taru, meine Mitschülerin in der Mittelstufe. Sie hatte sich in schwierigen Situationen einfach hinter ihrer Mähne versteckt. Laitio sagte lange Zeit nichts, er schnaubte nur. Als ich mich endlich traute, ihn anzublicken, sah er nicht wütend aus, sondern fast mitleidig.
«Mach dich nicht lächerlich, Ilveskero! Besitzergreifende Leute wie dich habe ich zur Genüge erlebt. Leute, die nicht loslassen können, obwohl sie genau wissen, dass es keine Hoffnung gibt, obwohl ihnen zehnmal die Tür vor der Nase zugeschlagen und ein Näherungsverbot verhängt worden ist. Vielleicht liegt dir diese falsche Besitzsucht in den Genen, aber du musst sie loswerden! Oder bildest du dir ein, wie es deine Mutter wahrscheinlich getan hat, Liebe könnte sogar einen Mörder kurieren? So blöd kannst du doch nicht sein! Hast du die Berichte nicht gelesen, die in dem Umschlag waren, oder bist du zu dumm, sie zu verstehen? Vergiss Stahl!»
«Aber wieso gibt es eine Verbindung zwischen David und Rytkönen? Oder soll Rytkönen David irgendwie überwachen? Kennen sich die beiden?»
«Ich kann versuchen, es herauszufinden», antwortete Laitio, «aber nicht deinetwegen, sondern nur deshalb, weil ich mit Rytkönen auf Kriegsfuß stehe und mir alles willkommen ist, was ich gegen ihn verwenden kann. Was hat Stahl dir eigentlich über die Nacht erzählt, in der er die
I believe
gesprengt hat?»
«So gut wie nichts. Er hat immer gesagt, er wolle sich nicht daran erinnern, dass er vier Menschen das Leben genommen hat. Sie waren zwar Verbrecher, aber dennoch Menschen.»
«Und du hast prompt geglaubt, Stahl wäre ein zartfühlender Killer?»
Ich gab keine Antwort. Natürlich hatte ich nur gesehen, was ich sehen wollte, einen Mann, der mich liebte, der von den Toten auferstanden war und mich zu sich gerufen hatte. Ich erinnerte mich gut daran, wie er meinen Fragen ausgewichen war, in Spanien, in Deutschland und in der Toskana. Ich war neugierig gewesen, zu erfahren, was man beim Töten empfand. Vielleicht hätte David mir erklären können, was im Kopf meines Vaters vor sich gegangen war. Doch David hatte sich geweigert, darüber zu reden. Er hatte eine verschlossene Miene aufgesetzt und den Blick abgewandt. Ich hatte geglaubt, er schäme sich, und ihn deshalb umso mehr geliebt. Aber vielleicht hatte er einfach nur geschwiegen, um sich nicht zu verraten. Er hatte nicht ganz so gehandelt, wie man es ihm aufgetragen hatte. David, der Einzelkämpfer. Der Mann, der keinem traute. Und ich hatte gedacht, wir wären Seelenverwandte.
Laitio stand auf und öffnete das Fenster. Er schüttelte sich, ohne seine Strickjacke schien er zu frieren. Der Wind riss das Laub von den Bäumen, irgendwo heulte die Sirene eines Einsatzfahrzeugs.
«Du könntest mir bei Gelegenheit mal zeigen, was du in Stahls Versteck gefunden hast», sagte Laitio. «Es ist ein Wunder, dass du dich mit deinen hirnrissigen Aktionen noch nicht ins Grab oder in den Knast gebracht hast. Mit diesem Trankow wirst du dich auf keinen Fall treffen, hörst du? Ich habe dir doch gesagt, der Kerl ist gefährlich. Weißt du überhaupt etwas über seinen Hintergrund? Seine Mutter Olga Trankowa war eine Hure für KGB -Agenten. Warum soll ich es beschönigen? Allerdings hat sie dieses Leben sicher nicht freiwillig gewählt. In der Sowjetzeit wurden die hübschesten Frauen zu dieser Art von Staatsdienst gezwungen. Anfang der achtziger Jahre war sie eine Zeitlang Paskewitschs feste Begleiterin. Als sie schwanger wurde, hat sie die befohlene Abtreibung verweigert, und Paskewitsch hat sie nach Hintersibirien verfrachtet, wo sie das Kind zur Welt brachte. Er war natürlich verheiratet, wie alle anständigen Kommunisten. Als die herrliche Zeit des Kapitalismus anbrach, war es ein Leichtes für ihn, seine Frau loszuwerden. Sie wurde in Moskau überfahren, ganz offensichtlich auf Bestellung.»
Ich erinnerte mich, dass Anita Nuutinen gesagt hatte, Paskewitsch sei Witwer. Frei, zu wählen, mit wem er zusammen sein wollte.
«Juri war von Kind an in mehreren Bereichen begabt: im Malen, im Betrügen und im Stehlen. Zwei Jahre in einer sibirischen Erziehungsanstalt ließen ihn noch waghalsiger werden. Er machte den Mann ausfindig, den seine Mutter ihm als
Weitere Kostenlose Bücher