Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Paskewitsch eingeschmeichelt und war dann in Wasiljews Lager gewechselt. Aber jetzt findet er wohl bei seinen eigenen Leuten keine Unterstützung mehr.»
«Wer hat dir gesagt, dass Stahl noch lebt?» Ich versuchte, unbeteiligt zu wirken, wusste aber schon in dem Moment, als mir die Frage entschlüpfte, dass der Versuch fehlgeschlagen war. Wie aktuell waren Trankows Informationen? Was musste ich tun, um ihn zum Reden zu bringen? War der Sohn wie der Vater, ließ er sich von seiner Begierde lenken? Und würde der Trick auch bei ihm wirken, oder wusste er sich vorzusehen?
Ich musste mich wieder dumm stellen. Diese Kunst beherrschte ich von Kind auf. Manchmal war es besser, nicht alle Karten auf den Tisch zu legen. Trankow wollte mich von oben herab ansehen, mich demütigen. Wenn das der Preis war, den ich für die Wahrheit zahlen musste, war ich bereit.
Ich stand auf und zog den Mantel an. Trankow packte mich am linken Handgelenk, sein Griff war hart wie eine zu enge Handschelle.
«Weißt du, was ich von dir will, Hilja Ilveskero? Dich malen. Ich habe bei Syrjänen in Långvik ein Atelier. Du könntest mir Modell stehen. Ich weiß schon, wie ich dich malen werde.»
Mike Virtue brüllte in meinem Kopf, Onkel Jari ebenfalls. Jetzt sagst du nein, mach keine Dummheiten! Aber ich hörte nicht auf sie, sondern legte die rechte Hand auf Trankows Arm und sagte:
«Von mir aus. Gib mir deine Telefonnummer, ich rufe dich an.»
12
Trankows Visitenkarte war beeindruckend. Unter dem Logo von Syrjänens Firma prangte sein Name und der prätentiöse Titel «architectural project manager and painter».
«Ich bin jetzt ein ehrbarer Mann, der keinen Grund hat, seine Kontaktdaten geheim zu halten», beteuerte er, als wir uns vor dem Torni verabschiedeten. Diesmal küsste er mich auf beide Wangen. Ich wusch mir das Gesicht, sobald ich zu Hause war.
Petter war nach dem Kino noch auf ein Glas hereingekommen und trank mit seiner Schwester Rotwein. Ich begnügte mich mit Wasser. Als ich mir das Geplänkel der beiden anhörte, fühlte ich mich ausgeschlossen. Ich hatte niemanden, der Kindheitserinnerungen mit mir teilte und schon beim ersten Wort verstand, was ich meinte. Dann sprachen sie über den Film. Monika fand, er sei intensiv gewesen, Petter hatten vor allem die Farben gefallen. Daraus schloss ich, dass ich während der Vorführung eingeschlafen wäre. Petter flehte mich wieder einmal an, ihm Modell zu stehen, und ich brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass ich in dieser Hinsicht bereits einem anderen versprochen war.
Ein Treffen mit Laitio konnte ich erst für Freitag vereinbaren, denn in der ersten Wochenhälfte war er auf einer, wie er sich ausdrückte, völlig nutzlosen Fortbildung an der Polizeifachschule in Tampere. Ich wollte zuerst mit ihm sprechen, bevor ich mich mit Trankow verabredete. Am Freitagnachmittag ging ich schließlich in die Urheilukatu. Um diese Zeit war es im Sans Nom meist ruhiger. Ganz leer war das Restaurant nie. Für das Mittagessen nahmen wir keine Tischreservierungen an, dann bildeten sich gelegentlich Schlangen, und die Abende waren vorläufig ausgebucht. Zwei Restaurantkritiker hatten das Sans Nom bereits in ihren Zeitungen vorgestellt. Für das Essen vergaben sie vier Sterne, doch das Konzept schien ihnen befremdlich. Die Suppenküche wagte allerdings niemand offen zu kritisieren. Der erste Versuch war ein Erfolg: Außer den Obdachlosen und Armen der näheren Umgebung kamen auch von der Idee begeisterte Hippies sowie biedere Beamtinnen und Angestellte, die ihre Toleranz demonstrieren wollten, indem sie mit den sozial Schwächeren speisten – wobei sich die Gruppen allerdings nicht mischten.
Ich klingelte wie gewohnt bei Laitio, doch er meldete sich nicht. Beim zweiten Klingeln ebenfalls nicht. Also rief ich ihn auf dem Handy an.
«Laitio.» Er war außer Atem.
«Ilveskero hier. Wir sind verabredet.»
«Ja, sind wir, aber Koch, das Mistvieh, ist mir ins Treppenhaus entwischt, und ich weiß nicht, ob er nach oben oder nach unten gelaufen ist.»
«Mach mir auf, dann kann ich beim Suchen helfen.»
«Aber pass auf, dass der verdammte Kater nicht auf die Straße rennt! Halt ihn fest, selbst wenn er dir die Augen auskratzt.»
Ich sagte, mit Katzentieren hätte ich Erfahrung, dabei wusste Laitio natürlich nichts von Frida. Hinter der Haustür war nichts zu sehen. Ich überprüfte den Kinderwagen, den jemand an der Treppe abgestellt hatte. In solchen Winkeln versteckten sich Katzen
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