Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
zuckte Trankow zusammen und sah plötzlich sehr jung aus. Wahrscheinlich war er nicht einmal dreißig. Ich hatte nie nach seinem Alter gefragt, aber vermutlich würde ich sein Geburtsdatum in den Datenbanken der Zentralkripo finden.
«Was er denkt, ist mir egal! Paskewitsch ist nur ein mickriger kleiner Fisch, an dessen Seite ich am Ende im Gefängnis landen würde.» Trankow breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf wie ein Opernrusse, genau wie sein Vater damals. «Syrjänen hat ein ganz anderes Format, mit ihm kann ich Großes erreichen, und er braucht Kontakte in Russland, weil seine früheren Geschäftspartner kaputt sind.»
«Und du hast diese Beziehungen?» Ich trank meinen Kakaobecher mit einem Schluck halb leer.
«Ich kenne die richtigen Leute. Syrjänen vertraut mir», erklärte Trankow stolz. Offenbar hatte man Syrjänen nicht über ihn aufgeklärt. Zog ein Geschäftsmann seines Kalibers über die Leute, mit denen er Geschäfte machte, denn keine Erkundigungen ein? Zuerst Wasiljew und jetzt Trankow. Oder war Syrjänen die Geldquelle ebenso gleichgültig wie den Politikern, die er unterstützte?
«In Russland ist es wichtig, zu wissen, mit wem man es zu tun hat. In der Hinsicht hat Syrjänen noch viel zu lernen. Warum arbeitest du in dem Restaurant? Findest du in deinem Beruf keine Stelle mehr?»
«Was bin ich denn von Beruf, deiner Meinung nach?»
«Leibwächterin – und bereit, auch anderes zu tun, wenn die Situation es erfordert. Du bist gar nicht so schlecht. Syrjänen könnte vielleicht Verwendung für dich haben, wenn Julia nach Finnland kommt.»
Ich lachte auf. Für Syrjänen wollte ich wahrhaftig nicht arbeiten, auch wenn mich viele seiner Angelegenheiten interessierten: die Unterlagen auf Davids USB -Stick, das Gelände in Hiidenniemi, um das sich auch Anita Nuutinen bemüht hatte – und Trankow, der behauptete, Dinge über David zu wissen, die mir verborgen geblieben waren. Führte wieder alles zu ihm? David, David und nochmals David. Ich kannte mich ja. Ich würde keine Ruhe finden, bevor ich wusste, was mit David passiert war.
Nach der Explosion der Yacht
I believe
hatte ich mich in mein Schicksal gefügt, als ich monatelang nichts von David gehört hatte. Die wahrscheinlichste Alternative war sein Tod gewesen, und damit hatte ich mich unter Tränen abgefunden, weil David mir vertraut und erzählt hatte, was er plante. Jetzt aber war ich beleidigt, enttäuscht und wissensdurstig. Trankow wollte sich natürlich für die Blamage rächen, die ich ihm in Bromarv zugefügt hatte. Er würde schon merken, dass ich dazu auch ein zweites Mal fähig war.
«Ich fühle mich in meinem jetzigen Job sehr wohl. Welche Pläne hat Syrjänens Baufirma denn? In den Zeitungen stand in letzter Zeit gar nichts über seine Projekte.»
Trankow drehte den Cocktailspieß in seinem Glas, steckte ihn in den Mund und lutschte daran. Bei einer Frau hätte die Geste einladend gewirkt, doch zwischen den schmalen Männerlippen sah das rote Plastikding nur lächerlich aus.
«Darüber rede ich nicht. Ich bin sein Vertrauensmann. Du weißt doch, wie es im Baugeschäft zugeht. Zuerst müssen die Genehmigungen eingeholt werden.»
«Entwirfst du Gebäude für ihn?»
«Eher …» Trankow suchte nach dem richtigen Wort. «Den Bebauungsplan. Wie die einzelnen Häuser angeordnet werden. Und die Innenausstattung. Ich male Bilder direkt auf die Wände, ich illustriere ganze Räume.» Trankows Augen strahlten wie die eines halbwüchsigen Hundes, der kaum glauben kann, wie saftig der Knochen ist, den er gefunden hat. Mit jedem Wort schien seine Gefährlichkeit zu bröckeln. Diesen Mann hatte ich schon einmal nach meiner Pfeife tanzen lassen.
Ich trank den Kakao aus, und auch Trankow leerte sein Glas.
«Syrjänen ist wütend auf Stahl, weil der seine Yacht in die Luft gejagt hat.»
Ich bemühte mich, scheinbar unbeeindruckt meine Tasse abzustellen. Diese Einzelheit hätte Syrjänen eigentlich nicht wissen können. Ihm, wie der breiten Öffentlichkeit, war die Detonation auf der
I believe
als bedauerlicher Unfall präsentiert worden. Oder wollte Trankow mich nur testen? Aber wieso wusste er dann von Stahls Rolle? Angeblich war diese Information nur dem engsten Kreis zugänglich gemacht worden. Alle hatten Stillschweigen gelobt. Oder verstand sich Syrjänen so gut mit den beteiligten Ministern, dass Versprechungen und das Leben eines einzelnen Europol-Agenten nebensächlich waren?
«Stahl hatte sich zuerst bei
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