Der Löwe
ab.
Khalil beugte sich an Boris’ Ohr. »Aber Sie haben mir auch einen schlechten Rat gegeben …«
Boris sah, dass Khalil irgendetwas in der freien Hand hatte, etwas Verschwommenes, das er zuerst nicht erkannte. Dann wurde ihm klar, was er da sah – den langen, dünnen Dorn eines Eispfriems.
»Nein!«
Khalil schob die Spitze des Eispfriems in Boris’ linkes Nasenloch und stieß sie bis ins Gehirn.
Boris schrie wieder auf, aber diesmal war es ein unverständlicher, animalischer Schrei.
Khalil zog den Eispfriem heraus, an dem Boris’ Blut und Hirn glänzte, führte ihn in Boris’ rechtes Nasenloch ein, stieß ihn wieder tief ins Gehirn, so weit, bis der Griff Boris’ Nase plattdrückte und die Spitze aus dem Schädel drang.
Khalil ließ den Eispfriem stecken, löste sich von Boris und wälzte ihn auf den Rücken.
Er betrachtete ihn ein paar Sekunden lang und sah, wie rotes Blut aus seinen Nasenlöchern sickerte. Dann fing Boris an zu zucken, verfiel in leichte Krämpfe, begleitet von einem sehr seltsamen Laut, der tief aus seiner Kehle kam – fast wie das Klagen des Südwinds, dachte Khalil, des Ghabli, der aus der großen Wüste kam.
Khalil sammelte seine Messer ein, ging zum Esstisch, nahm
seine Waffe und schob das Magazin in den Griff. Er zog seine blutige Kleidung aus und wusch sich mit den Leinenservietten und dem Mineralwasser, das auf dem Tisch stand.
Auf dem untersten Regal des Servierwagens waren unter einem Tischtuch ein dunkles Hemd, eine dunkle Hose und eine schwarze Windjacke versteckt, die Vladimir dort für ihn bereitgelegt hatte, Khalil zog sich rasch an, schlüpfte in Socken und Schuhe, nahm dann eine Leinenserviette vom Tisch und steckte sie in seine Hosentasche.
Schließlich schickte er Vladimir eine SMS: Es ist vorbei.
Er ging zur Tür, blickte durch das Guckloch und wollte bereits den Riegel zurückschieben, als ihm etwas einfiel.
Khalil ging zu dem großen Einwegspiegel und blickte auf das Restaurant hinunter. Jetzt war dort mehr los, größtenteils Familien mit Kindern, die beim sonntäglichen Abendessen saßen. Unmittelbar unter ihm auf der Bühne standen drei Frauen in engen Kleidern, die offenbar sangen, aber er hörte nur die gedämpften Töne der drei Musiker auf der Bühne.
Khalil kehrte zu Boris zurück, der immer noch zuckte, aber nicht mehr stöhnte. Er stützte sich mit einem Knie auf und hob den breitschultrigen Mann mit beiden Händen an, stemmte ihn hoch, setzte zu zwei langen Schritten an und schleuderte Boris durch das Glas.
Als das Splittern und Scheppern verklang, herrschte einen Moment lang Stille, gefolgt von einem lauten, dumpfen Knall, dann kreischten die Leute unten auf.
Khalil ging mit gezogener Waffe zur Tür, öffnete sie, trat in den Vorraum und stellte fest, dass Vladimir sowohl die Leiche des Leibwächters als auch sein Blut beseitigt hatte. Er sperrte mit seinem Schlüssel die Aufzugstür auf und fuhr hinunter in den Keller. Auf dem Weg nach unten schlang er die Leinenserviette um seine rechte Hand und die Waffe, dann steckte er die Hand in die Seitentasche seiner Windjacke.
Vladimir erwartete ihn unten am Aufzug und führte ihn durch einen dunklen Kellerbereich, in dem allerlei Sachen abgestellt waren, zu einer Betontreppe, die sie emporstiegen. Am Ende der Treppe drückte Vladimir eine Metalltür auf, die in eine Gasse zwischen den Gebäuden führte, in der überall Mülltonnen und -säcke herumstanden. In zweien davon steckten, soweit Khalil wusste, die Leichen der Leibwächter.
»Gottes Segen war mit dir, mein Freund«, sagte Vladimir zu ihm.
»Und mit dir.«
Khalil zog die Hand aus der Tasche, und Vladimir dachte, er würde sie ihm zum Zeichen seiner Freundschaft reichen, doch als er sie ergreifen wollte, sah er die blutbefleckte Serviette, die um die Hand geschlungen war, und zögerte.
Khalil jagte Vladimir eine Kugel in die Stirn.
Der Mann stürzte rücklings in einen Haufen Müllsäcke, worauf Khalil das qualmende Tuch auf sein Gesicht warf, die Waffe einsteckte und dann ein paar Müllsäcke über die Leiche schichtete.
Khalil ging die Gasse entlang zu einem eisernen Tor, entriegelte es und trat hinaus auf den Gehsteig des Brightwaters Court. Hier waren zahlreiche Fußgänger unterwegs, und als er zum Eingang des Svetlana blickte, sah er, wie die Menschen aus der Tür strömten. Etliche Frauen und Kinder weinten, Männer schrien aufgeregt durcheinander.
Khalil schob sich durch das Getümmel und sah sein Taxi, das jetzt von
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