Der Löwe
Gabel?«
Boris wägte seine Möglichkeiten ab. Er hatte nur noch zwei – er konnte entweder zu seiner Waffe greifen und darauf hoffen, dass ihn eine Kugel ins Herz oder in den Kopf traf; oder er konnte Asad Khalil in einen Messerkampf verwickeln. Er könnte diesen Kampf gewinnen, war sich aber auch darüber im Klaren, was Asad Khalil ihm mit dem Messer antun würde, wenn er es nicht schaffte.
Khalil sagte zu ihm: »Sie können heute anscheinend keine Entscheidung treffen. Deshalb werde ich es für Sie tun.« Er drückte die Knie durch, ging in Schussstellung und stützte die Waffenhand ab.
»Nein!«, schrie Boris. Er hob beide Hände, senkte dann die linke und schlug seinen Jackenschoß zurück, sodass seine Schusswaffe und das Holster an seinem Gürtel zum Vorschein kamen.
Khalil nickte.
Boris fasste den Pistolengriff mit Daumen und Zeigefinger, zog die Waffe aus dem Holster und schob sie über den Teppich zu Khalil.
Khalil trat einen Schritt vor und hob die Waffe auf, eine Browning Automatik, wie er sah. Er nahm das Magazin heraus und warf es quer durchs Zimmer, dann ging er zum Esstisch und ließ die Waffe in die Glasschale mit schwarzem Kaviar fallen.
Er wandte sich wieder an Boris. »Ich würde Sie ja beim Wort nehmen, dass Sie keine weitere Waffe haben – aber vielleicht können Sie es mir zeigen.«
Boris nickte, zog seine Hosenbeine hoch und zeigte ihm, dass er kein Knöchelholster hatte, dann drehte er seine Taschen um. Er zog langsam seine Jacke aus, drehte sie um und wandte sich wieder Khalil zu.
»Ich bin überrascht, dass Sie Ihre eigene Maxime missachten und keine zweite Schusswaffe haben«, sagte Khalil zu ihm.
»Selbst wenn ich eine zweite Schusswaffe hätte, würde ich dir lieber die Kehle durchschneiden«, erwiderte Boris.
Khalil lächelte und sagte: »Das gilt auch für mich.«
Khalil zog die beiden 45er Colt aus seinem Gürtel, nahm die Magazine heraus und steckte beide Pistolen in den Sektkühler. Dann entfernte er das Magazin aus seiner eigenen Waffe, schob es in die Hosentasche und legte die Glock auf eine Serviette.
Anschließend zog er ein kurzes, schweres Jagdmesser aus seinem Gürtel und schleuderte es zu Boden, wo es im Teppich steckenblieb.
Er schaute Boris an und sagte: »Sind Sie bereit?«
Boris antwortete nicht, aber er legte seinen Schlips ab, ebenso Schuhe und Socken und schlang sich dann seine Jacke um den linken Arm.
Khalil lächelte beifällig und tat es ihm gleich.
Beide Männer standen etwa fünfzehn Schritte voneinander entfernt, die Messer steckten ein paar Schritte vor ihnen im Boden.
Zum ersten Mal, seitdem Khalil ins Zimmer gekommen war, glaubte Boris, er habe eine Chance, diesen Mann zu töten. Ihm war klar, dass Khalil eine weitere Schusswaffe haben könnte, doch das spielte keine Rolle – er wollte sich lieber eine Kugel einfangen, als diesen Kampf zu verlieren.
Sie standen da, beobachteten einander und warteten darauf, dass der andere etwas unternahm.
Boris ergriff die Initiative, rannte direkt auf Khalil zu, schnappte sich das Messer und lief weiter.
Khalil hechtete nach vorn, ergriff sein Messer und rollte sich nach rechts ab, dann sprang er auf, ging breitbeinig in die Hocke und deckte sich mit dem linken Arm, um den er seine Jacke gewickelt hatte.
Boris blieb jählings stehen, fuhr herum und ging auf Khalil los.
Khalil hielt seine Stellung, und Boris deutete eine Finte nach links und rechts an, wich dann zurück und griff erneut an. Er erinnerte sich an Khalils Stärken und Schwächen, und seine größten Schwächen waren seine Aggressivität und Ungeduld, die dazu führten, dass er überstürzt und voreilig angriff. Aber jetzt sah Boris, dass Khalil offenbar gelernt hatte, wann er sich verteidigen und wann er attackieren musste.
Boris entschied sich für eine andere Taktik und wich zurück, bis fast zwanzig Schritte Abstand zwischen ihnen lagen.
Khalil gab seine Abwehrhaltung auf und lief direkt auf Boris zu, der seine Stellung hielt und überrascht war, als Khalil plötzlich stehen blieb.
Boris war allmählich der Meinung, dass Khalil entweder gelernt hatte, vorsichtig zu sein, oder ihm klargeworden war, dass er sich nicht in diese Lage hätte bringen sollen, nicht mit dem Mann, der ihm beigebracht hatte, wie man mit einem Messer kämpfte.
Boris ging wieder in die Offensive und rückte vor, worauf Khalil zurückwich. Dann umkreisten sich die beiden Männer schweigend in der Mitte des Zimmers.
Boris achtete auf Khalils Bewegungen.
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