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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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etwas wie Zuneigung, als er hörte, wie Dalziel sich über den Flur davonhustete.
     
    »Hallo, mein Schatz. Wie geht’s dir?«
    »Gut. Jede Menge Mitgefühl zur Tarnung akademischer Sensationslüsternheit. Aber keine Reaktion von meinen Studenten. Die können sich nicht vorstellen, dass wir noch ein Leben ohne sie führen. Was ist mit dem Dicken?«
    »Der ist nicht ganz auf der Höhe, glaube ich. Aber für seine Verhältnisse ziemlich rücksichtsvoll. Wir haben viel zu tun.«
    »Das ist gut. Im Moment zumindest. Aber erstreckt sich das auch auf heute Abend?«
    »Weiß ich noch nicht. Ich sage dir Bescheid.«
    »Bitte, Peter, ich habe heute Nacht von ihnen geträumt.«
    »Mein armer Schatz.«
    »Wir waren wieder in Eskdale. Weißt du noch? Aber es war das Brookside Cottage, nicht das alte, graue Bauernhaus. Da ist mir etwas eingefallen. Colin könnte da wieder hingefahren sein.«
    »Warum?«
    »Ich weiß auch nicht. War nur so ein Gedanke. Sollte mich wohl davon ablenken, dass sie tot sind. Verstehst du das?«
    »Ich glaube schon.« Er schwieg einen Augenblick. »Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen. Je früher ich hier weitermache, desto eher können wir uns heute Abend sehen.«
    »Okay. Ruf mich an. Tschüs.«
    »Tschüs.«
     
    Das Problem mit all den Dingen, die Pascoes Einbrecher eingesackt hatte, war, dass sie zwar wertvoll, aber nicht einzigartig waren. In den Häusern, auf die er sich spezialisiert hatte, stand genügend gutes Porzellan, Messing, Bronze, Silber, und bisweilen sogar Gold in der einen oder anderen Form herum, dass es sich für ihn lohnte. Ein bisschen Schmuck, sogar Bargeld, üblicherweise nur unzureichend gesichert, waren oft noch ein Extrabonus.
    Die Methode des Einbrechers, wie Pascoe sie rekonstruiert hatte, war denkbar einfach. Er suchte sich Häuser mit Gärten aus, die groß genug waren, um eine gewisse Abgeschiedenheit zu garantieren. Fuhr mit dem Auto hin (es gab ein paar völlig unbrauchbare Reifenspuren). Parkte so, dass man ihn von der Straße aus nicht sehen konnte, manchmal in der Garage. Schlug ein Fenster ein, um hineinzukommen (Lärmvermeidung war kein Thema, wenn das Haus abgeschieden genug lag; einmal hatte er sogar einfach die Hintertür kurz und klein geschlagen). Sah sich in aller Ruhe drinnen um. Stopfte ein, zwei Koffer mit den Sachen voll, die ihm am wertvollsten schienen. Und verschwand.
    Anfangs waren es stinknormale Einbrüche – den ersten paar Häusern war kaum etwas anzusehen –, doch mit der Zeit entwickelten sie sich zu Plünderungen. Wände wurden beschmiert, Teppiche besudelt, Möbel zerkratzt. In Cottingleys Haus hatte der Einbrecher, vielleicht in Anerkennung der reichen Beute, lediglich einen Teekessel voll Urin hinterlassen. Vielleicht deutete sich damit wieder eine neue Richtung an, dachte Pascoe. Defäkation, sogar Masturbation, waren bei Einbrüchen dieser Art keineswegs ungewöhnliche Symptome eines bestimmten kriminellen Krankheitsbildes, das gravierende geistige und seelische Labilität verriet. Mit Unbehagen dachte er an den Überfall auf den Rentner.
    Nichts von dem Diebesgut war aufgetaucht, zumindest nicht in der Gegend, also musste es einen effizienten Vertrieb geben. Der Großteil war ja auch nicht eindeutig zu identifizieren. Der letzte Raubzug war typisch gewesen. Eine geringe Menge Silber, geschmolzen genauso viel wert wie im jetzigen Zustand. Kostbares, wenn auch nicht einzigartiges Glas. Ziergegenstände. Ein bisschen Schmuck. Eine alte Uhr. Und Mrs. Cottingleys Sammlung von Steinen und Kieseln aus aller Herren Länder. Sie begleitete nämlich ihren Mann auf seinen häufigen Geschäftsreisen. Nur die Uhr würde sie vielleicht weiterbringen.
    Was er brauchte, war ein Anhaltspunkt. Momentan fiel ihm nichts Nützliches ein.
    »Ach, was soll’s!«, sagte er und nahm sich seine Morgenzeitung, in die er noch keinen Blick hatte werfen können.
    Vom unteren Ende der Titelseite blickte ihm Colin entgegen. Einen Augenblick lang dachte er, dies bedeute, sie hätten ihn gefunden, aber es war nur ein Aufruf an die Öffentlichkeit, bei den Ermittlungen zu helfen. In dem kurzen Artikel über die Morde stand nichts Neues. Es gab ein paar belanglose Zitate von Backhouse, und, schon eher überraschend, eine kleine Predigt über das Wohl der Allgemeinheit von French, dem Coroner. Offenbar ein Mann, der gern die Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Er blätterte weiter, um dem Foto zu entkommen. Die Probleme anderer Leute sprangen ihn aus jeder Spalte an.

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