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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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gar nicht annehmen, dass das Haus leer sei. Beunruhigt wäre sie jedenfalls nicht. Zumindest nicht gleich. Sie würde alles für den Tee vorbereiten, mit flinken, geübten Handgriffen. Er hatte ihr viel zu verdanken. Sie hatte unter ihrem Stand geheiratet, wie ihre Verwandten gesagt oder zumindest deutlich gemacht hatten. Geld war auch dagewesen. Aber er hatte nie welches genommen. Er hatte es ihnen gezeigt. Aus eigener Kraft, mit seiner eigenen Hände Arbeit. Ja, er hatte es ihnen gezeigt.
    Es hatte zu regnen begonnen, ein feiner Sprühregen, aus dem plötzlich ein langsam fahrender Lastwagen vor ihm auftauchte und ihn in die Gegenwart zurückholte. Er scherte jäh aus, um zu überholen. Von hinten raste ein blauer Lieferwagen mit überhöhter Geschwindigkeit und wild aufblendend auf der äußeren Fahrspur unerbittlich auf ihn zu.
    Jetzt hatte er seine Kraft wiedergewonnen und drückte aufs Gas. Der Rover machte einen Satz vorwärts, der lose Sitzgurt schlug geräuschvoll gegen die Tür. In wenigen Sekunden hatte er seine Geschwindigkeit verdoppelt.
    Eigentlich war alles eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Plötzlich war er optimistisch. Er würde das Richtige tun, es gab keine Alternative. Aber er musste es auch perfekt machen. Er setzte zu einem Triumphgesang an. Die Straße glänzte nass.
    Hinter ihm sah der Fahrer des blauen Lieferwagens mit ungläubigem Entsetzen, wie der Wagen ins Schleudern kam. Das konnte doch nicht seine Schuld sein, nur weil er aufgeblendet hatte. Es konnte einfach nicht sein!
    Die Straße lag an dieser Stelle etwas erhöht über der Landschaft. Graziös glitt der Wagen von der Fahrbahn, fuhr auf das Rasenbankett und kippte zur Seite, die Böschung hinunter.
    Bis der Lieferwagenfahrer angehalten und das Auto erreicht hatte, war bereits alles ganz still.
     
    Der königsblaue Mini-Cooper, der rückwärts in einem Tunnel aus Weißdorn und Heckenrosen parkte, stand auch ganz still. Der kleine Junge näherte sich vorsichtig. Er hatte ihn die letzten zehn Minuten, ebenso vorsichtig, aus seinem Versteck beobachtet. Schließlich hatte er sich davon überzeugt, dass der Wagen genauso leer war wie vor zwei Tagen, als er ihm zum ersten Mal aufgefallen war.
    Der Junge hatte allen Grund, unentdeckt bleiben zu wollen. Von all den Orten, die ihm die Spielverderber, die sich seine Eltern nannten, verboten hatten, war dieser hier am verbotensten. Hier gefunden zu werden würde die allerschlimmsten Sanktionen heraufbeschwören. Der Grund dafür lag ein paar Schritte hinter ihm, wo die steilen Wände der alten Lehmgrube, die jetzt von einem doppelten Stacheldraht umgeben war, mehr als fünfzehn Meter tief zu dem dunklen Gewässer abfielen.
    Jetzt war er bei dem Wagen angekommen und spähte hinein. Der war, wie erwartet, leer. Aber der Schlüssel steckte im Zündschloss, und das hieß, dass derjenige, dem das Fahrzeug gehörte, nicht weit sein konnte. Dennoch war er sich sicher, dass der Wagen noch immer da stand, wo er ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Alles in allem lohnte es sich bestimmt, einen Blick hinein zu riskieren.
    Zu seiner Enttäuschung gab es wenig zu sehen. Ein vollgeschriebener Zettel lag auf dem Beifahrersitz. Aber aus dem wurde er nicht besonders schlau.
    Regen platschte auf die Windschutzscheibe. Zeit zu gehen. Er lief zurück zur Lehmgrube und schlüpfte durch die Lücke im Stacheldraht, um noch einmal auf das Wasser hinunterzuschauen. Wenn es wieder einmal so richtig drauflosregnete, würde der Wasserspiegel dann den oberen Rand erreichen? Es war interessant, darüber zu spekulieren, doch die zunehmende Kooperationsbereitschaft der Regenwolken veranlasste ihn, es kurz zu machen und sich zurückzuziehen. War schon eine praktische Lücke. Irgendjemand würde sie schließlich bemerken und reparieren, aber es gab ja nicht viele Leute, die hier vorbeikamen.
    Im Augenblick war das und die Sache mit dem Auto sein Geheimnis.
    Nass, aber glücklich machte er sich auf den Weg zurück ins Dorf.

Fünf
    E in Polizeiwagen stand vor Sturgeons Haus, als Pascoe vorfuhr.
    Marjory Clayton war keine große Hilfe gewesen. Sie war ungefähr zwanzig, unscheinbar, hatte eine ziemlich anämische Gesichtsfarbe und trug eine unförmige Strickjacke, die aussah, als hätte ein Kartoffelsack als Schnitt für ihre Anfertigung gedient. Der Tod ihres Arbeitgebers machte ihr offenbar wirklich zu schaffen, und Pascoe ging behutsam mit ihr um. Am Montag hatte sie nur halbtags gearbeitet und war nachmittags nicht einmal

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