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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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ein paar Kilo abzunehmen, und teils, weil die Untersuchung ihm seinen üblicherweise recht herzhaften Appetit ein wenig verdorben hatte. Er hatte Proben von so ziemlich allem abgegeben, was man seinem Körper abzapfen oder sonstwie entfernen konnte. Dadurch war ihm nur zu deutlich bewusst geworden, dass sein Körper ein Knochengerüst war, ausgefüllt mit Fleisch, Blut und Innereien. Die Aussicht auf Schinkensandwiches oder Würstchen in Blätterteig hatte momentan nichts Verlockendes. Aber den Gedanken an einen schönen, starken Scotch (reiner Malzwhisky, mit Gusto getrunken) fand er weder geistig noch körperlich abstoßend, und deshalb machte er es sich in seinem Büro mit genannter Medizin gemütlich und versuchte, über seine aktuellen Fälle nachzudenken.
    Er fand es beunruhigend, wie wenig sie ihn interessierten. Wenn man sein Leben in den Dienst einer Sache stellte – es, wie mancher vielleicht sagen würde, damit sogar ruinierte –, war doch das Mindeste, was man verlangen konnte, dass sie einen nicht langweilte.
    Das Telefon läutete. Es war der Dienst habende Sergeant.
    »Bitte um Entschuldigung wegen der Störung, aber vielleicht wissen Sie ja, wann Sergeant Pascoe wieder zurück ist. Ich weiß, er ist in Ihrem Auftrag unterwegs, und …«
    »Bin ich Pascoes Kindermädchen, verdammt noch mal, oder sein telefonischer Auftragsdienst? Wozu brauchen Sie ihn denn?«
    »Ich brauche ihn gar nicht. Aber die junge Dame, Miss Soper, die, die mit ihm zusammen war, an dem Wochenende, Sie wissen schon. Und sie ist sehr hartnäckig, muss ihn unbedingt sprechen, also habe ich mir gedacht, unter diesen Umständen frage ich doch …«
    Herz. Hier nehmen offenbar die Herzattacken überhand, dachte Dalziel. Die üblichen Symptome. Schwellungen im Mitgefühlsbereich, Versagen von Anstand und Sitte. Er trank seinen Whisky aus.
    »Geben Sie sie mir«, sagte er, einem Impuls folgend.
    »Hallo?«
    »Hallo, Miss Soper. Hier ist Dalziel.«
    »Oh.«
    »Sergeant Pascoe ist im Moment nicht da, aber ich sehe ihn hoffentlich später. War’s was Dringendes?«
    »Nein. Eigentlich nicht.«
    »Entschuldigen Sie die Frage, Miss Soper, aber geht’s um was Privates? Oder um was Polizeiliches?«
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie da einen Unterschied machen, Superintendent.«
    Schon besser, dachte Dalziel. Da spricht die wahre liberal-radikale rote Socke und Dalziel-Fresserin.
    »Wenn’s was Polizeiliches ist, Miss Soper, dann bin ich sicher, der Sergeant würde wollen, dass Sie’s mir sagen.«
    »Woran denken Sie denn, wenn Sie polizeilich sagen?«
    Dalziel schenkte sich mit der freien Hand noch einen Scotch ein.
    »Es gibt laufende Ermittlungen, mit denen Sie etwas zu tun haben, Miss Soper. Mein aufrichtiges Beileid, wegen dem, was am Wochenende passiert ist. Das muss Sie ganz schön mitgenommen haben.«
    »O ja. Das hat mich wirklich ganz schön mitgenommen.«
    Dalziel seufzte und trank einen großen Schluck.
    »Aber, bitte, sollten Sie irgendwelche sachdienlichen Informationen erhalten, überlegen Sie es sich gut, bevor Sie Pascoe damit belasten. Kein Mensch sollte die Loyalität eines anderen über Gebühr beanspruchen. Niemand.«
    »Sparen wir uns doch die Umschreibungen! Was wollen Sie mir wirklich sagen, Superintendent?«
    »Ich versuche anzudeuten«, versetzte Dalziel, unwillkürlich seine Stimme erhebend, »dass Sie, sollte sich zum Beispiel dieser Hopkins bei Ihnen melden, schlicht und einfach die Pflicht haben, die Behörden davon in Kenntnis zu setzen. Es wäre verkehrt und dumm und verdammt egoistisch, es Pascoe wissen zu lassen und ihn dann zu überreden, dieses Wissen für sich zu behalten. Das will ich Ihnen sagen, Miss Soper. Nicht, dass man Ihnen so etwas sagen müsste, so oberschlau wie Sie sind. Pascoe ist ein anständiger Kerl, er hat ausgezeichnete Berufsaussichten, wenn ihm niemand in die Quere kommt. Spenden Sie ihm Soldatentrost in der Nacht, und überlassen Sie ihm die Arbeit, für die er bezahlt wird.
Das
will ich Ihnen sagen.«
    Er schwieg und lauschte in der Erwartung, dass sie in eine wortgewaltige Explosion ausbrechen oder den Hörer geräuschvoll hinknallen würde. Stattdessen hörte er ein leises rhythmisches Geräusch, wie ein immer wieder unterbrochenes Summen. Es konnte genauso gut ein Weinen sein wie ein Lachen.
    »Miss Soper?«, sagte er in den Hörer. »Miss Soper.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Er schenkte sich noch einen Fingerbreit Whisky ein. Wie immer hatte er recht gehabt, dachte

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