Der Lüster - Roman
Brejo Alto. Unter dem strahlenden Himmel schwang der Tag in seinem letzten Moment vor der Nacht, auf den Feldwegen und in den Bäumen konzentrierte sich die Stille drückend schwül – auf dem Rücken spürte Virgínia die letzten lauen Sonnenstrahlen, die dichten, geballt goldenen Wolken. Doch war da eine vage Kälte, die aus dem schattigen Wald zu kommen schien. Den Körper geschärft, blickten sie nach vorne – die Drohung eines Übergangs lag in der Luft, die sie atmeten … im nächsten Augenblick würde ein Schrei ertönen, und etwas würde sich fassungslos zerstören, oder die schwerelose Nacht würde dieses maßlose, grobe und einsame Sein mit einem Mal bändigen. Sie gingen schnell. Um sie war ein Duft, der das Herz weitete. Die Schatten bedeckten nach und nach den Weg, und als Daniel das schwere Gartentor aufdrückte, lag die Nacht ruhig da. Die Glühwürmchen öffneten fahle Punkte im Dämmerlicht. Die beiden verharrten einen Augenblick lang unschlüssig im Dunkel, kurz davor, sich unter diejenigen zu mischen, die nichts wussten, und sahen sich dabei an, als wäre es zum letzten Mal.
»Daniel …«, sagte Virgínia leise, »nicht einmal mit dir darf ich darüber reden?«
»Nein«, sagte er überrascht von seiner eigenen Antwort.
Sie zögerten einen Moment, bedächtig, still. Nein, nein! …, leugnete sie die Angst, die immer näher kam, wie um Zeit zu gewinnen vor dem Sprung. Nein, nein, sagte sie und vermied dabei, sich umzusehen. Die Nacht war herabgesunken, die Nacht war herabgesunken. Nicht springen! Doch auf einmal gab etwas die Zurückhaltung auf und begann zu geschehen … Ja, genau da würden die Dämpfe des Morgens aufsteigen, eines kränklichen Morgens, blass, wie das Ende eines Schmerzes – bemerkte Virgínia auf einmal ruhig, ergeben und entrückt. Jeder trockene Zweig würde sich unter einem höhlenhaften Schein verstecken. Das Land hinter den Bäumen, deren Triebe der Waldbrand gekappt hatte, würde durch den weichen Nebel hindurch zu sehen sein, geschwärzt und schwierig wie durch eine Vergangenheit – erkannte sie jetzt gelassen und ausdruckslos, wie ohne Gedächtnis. Der Tote würde ein letztes Mal zwischen den schlafenden und kalten Bäumen hindurchgleiten. Wie aus der Ferne klingende Glockenschläge würde Virgínia den Widerhall seiner Gegenwart im Körper spüren, würde langsam vom Bett aufstehen, weise und blind wie eine Schlafwandelnde, und in ihrem Herzen würde ein schwacher Punkt fast ohnmächtig pulsieren. Sie würde das Fenster hochschieben, die Lungen eingehüllt vom kalten Dunst. Die Augen in die Blindheit des Dunkels tauchend, die Sinne pulsierend im eisigen und schneidenden Raum; so würde sie nichts wahrnehmen als die Ruhe im Schatten, die krummen und reglosen Zweige … die weite Fläche, deren Grenzen sich in plötzlichem, undurchdringlichem Nebel verloren – da lag die Grenze der möglichen Welt! Dann, brüchig wie eine Erinnerung, würde sie den müden Fleck des Ertrunkenen ahnen, wie er sich entfernte, zwischen den Dampfschwaden versank und wieder auftauchte, um schließlich im Weiß unterzugehen. Für immer! So würde der lange Wind in den Bäumen wehen. Fast stumm würde sie rufen: He, Mann, du da, Mann!, um ihn aufzuhalten, ihn zurückzubringen! Aber es war für immer, Virgínia, hör zu, für immer, und selbst wenn Granja Quieta verwelkte und endlos neues Land sich erhob, der Mann würde niemals wiederkehren. Virgínia, niemals, niemals, Virgínia. Niemals. Sie schüttelte die Müdigkeit ab, in die sie geglitten war, in ihre Augen trat eine aufgeweckte, funkelnde Lebendigkeit, zurückgehaltene Ausrufe schmerzten in ihrer engen Brust; das Unverständnis, mühselig, erstickt, stürzte ihr Herz ins Dunkel der Nacht. Ich will nicht, dass die Eule ruft, schrie sie in einem tonlosen Schluchzen. Und sofort rief die Eule, schwarz auf einem Ast. Sie zuckte zusammen – oder war der Ruf etwa ertönt, bevor sie das gedacht hatte? Oder im selben Augenblick? Ich will die Bäume nicht hören, sagte sie sich und erforschte ihr Inneres, während sie verblüfft weiterging. Und die Bäume wiegten sich in einem plötzlichen Wind, ein langsames Rauschen von einem merkwürdigen, hohen Leben. Oder war das vielleicht eine Vorahnung?, beschwor sie sich. Ich will nicht, dass Daniel sich bewegt. Und Daniel bewegte sich. Leicht atmend, mit jungen und überraschten Augen schien sie in die Dinge eindringen und ihnen entfliehen zu können, still wie ein Schatten; schwach und
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