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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Ilka das Handy wieder irgendwo liegen lassen und hörte es nicht. Sie ging ziemlich sorglos um mit solchen Dingen. Auch das war für Mike ein Grund gewesen, sich in sie zu verlieben. Dass sie im Augenblick lebte, nicht in die Vergangenheit dachte und nicht in die Zukunft. Es hatte ihm imponiert, wie sie den Moment in den Mittelpunkt stellte und sich um nichts anderes scherte. Wenn sie lachte, dann lachte sie, wenn sie aߟ, dann aߟ sie, wenn sie Sehnsucht hatte, dann hatte sie Sehnsucht. Was sie tat, das tat sie mit voller Konzentration. Unbeirrt ging sie ihren Weg und strahlte dabei eine Sicherheit aus, die ihn selbst sicherer machte.
    Und genau das brauchte er. Durch seine Liebe zu Ilka hatte er nämlich seine eigene Sicherheit verloren. Tausend Fragen hatten sich vor ihm aufgetürmt und auf keine fand er eine Antwort. Er wusste erbärmlich wenig von dem Mädchen, das seine Freundin war. Sie verlor so gut wie nie ein Wort über ihre Vergangenheit, tat so, als hätte es eine Kindheit nicht gegeben.
    Die Eifersucht, die ihn quälte, war vor allem Eifersucht auf ein Leben, das ihn ausschloss, zu dem er niemals gehört hatte und vielleicht nie gehören würde. Er wusste ja nicht mal über ihr gegenwärtiges Leben Bescheid. Wo war sie in diesem Augenblick? In ihrem Zimmer? Unterwegs? Allein? Bei einem anderen? Sollte er als ihr Freund das nicht wissen?
    Später hatte sie immer eine harmlose Geschichte parat. Sie war einkaufen gewesen. Hatte mit ihrer Tante in der Küche gesessen, gequatscht und darüber die Zeit vergessen. Hatte ihre Freundin Charlie besucht. Hatte Bücher in die Stadtbücherei zurückgebracht. War mit den Zwillingen im Schwimmbad gewesen.
    Das Handy vergaߟ sie jedes Mal. Wenn sie den Vorwurf in seinen Augen sah, gab sie ihm einen Kuss. »Ich möchte gar nicht immer und überall erreichbar sein. Kannst du das denn nicht verstehn?«
    Nein!
, hätte er am liebsten geschrien und sie geschüttelt. 
Nein! Weil ich dich immer und überall erreichen will! Du bist das Mädchen, das ich gesucht habe, ich liebe dich, und manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Liebe nicht ausreicht, dass sie zu wenig ist für dich!
 Aber er sprach diese Worte nicht aus, weil ihn das Pathos darin peinlich berührte. Vielleicht auch weil er tief im Innern Angst davor hatte, eine Katastrophe herbeizureden. Angst davor, dass ein einziges falsches Wort Ilka aus seinem Leben vertreiben könnte.
    Erst jetzt fragte er sich, warum er überhaupt versucht hatte, sie anzurufen. Sie hatten abgemacht, dass er sie um halb vier zu Hause abholen würde. Da war nichts mehr zu besprechen. Wollte er sie kontrollieren?
    Noch einmal wählte er ihre Nummer und gab dann frustriert auf. Aber er war nicht nur frustriert. Er war auch besorgt. Seit er Ilka kannte, hatte er Angst um sie, obwohl es keinen vernünftigen Grund dafür gab.
     
    Sie läuft durch den Wald, der an den Garten grenzt. Jeden Morgen eine Stunde. Sie ist süchtig danach. Der Wald ist voller Geräusche. üœberall knackt und raschelt es. Vögel schlagen mit den Flügeln. Unsichtbare Tiere huschen durchs Unterholz.
    Und manchmal ist es vollkommen still.
    Ilka hört ihren Atem, fühlt den Schweiߟ auf der Haut. Nach einer halben Stunde spürt sie keine Anstrengung mehr, läuft leichtfüߟig und schnell. Sie ist so glücklich, dass sie weinen möchte.
    Sie nimmt immer denselben Weg. Es ist beruhigend, wenn die Dinge sich nicht verändern. Der Hund, der sie jedes Mal begleitet, bleibt bis zu einer bestimmten Stelle an ihrer Seite, dann stupst er sie mit seiner kalten Schnauze an und kehrt in langen Sätzen zum Haus zurück.
    Ilka läuft allein weiter. Auf der kleinen Lichtung sucht sie sich einen geschützten Platz, legt sich ins warme Gras und schlieߟt die Augen.
    Ein Schatten fällt auf ihr Gesicht. Ohne hinzusehen, weiߟ sie, dass Ruben über ihr steht. Sie lässt die Augen geschlossen und streckt die Arme nach ihm aus.
    »Ilka?«
    Mühsam fand Ilka sich wieder in der Gegenwart zurecht. Sie murmelte eine Entschuldigung, doch Lara winkte lächelnd ab. Sie schien daran gewöhnt, dass ihre Patienten manchmal abtauchten. Sie wirkte nicht beunruhigt, nicht einmal überrascht.
    »Möchten Sie darüber reden?«
    Ilka schüttelte den Kopf. Nie, niemals würde sie darüber sprechen können. Keiner wusste davon und keiner sollte es je erfahren. Aber wie lange würde es ihr gelingen, in diesem Zimmer darum herumzureden? Dem aufmerksamen Blick dieser Augen standzuhalten, ohne

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