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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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etwas preiszugeben, das sie für sich behalten wollte?
    »Ja.« Lara erhob sich und begleitete sie in die kleine Diele. »Dann war€™s das schon für heute. Sehen wir uns Freitag wieder?«
    Ilka nickte. Sie hatte die Stunde überlebt, ohne sich in ein zitterndes, heulendes Bündel zu verwandeln. Die Erleichterung schwappte wie eine groߟe Welle über ihr zusammen.
    Lara reichte ihr die Jacke und verabschiedete sich. Ihre Hand fühlte sich warm und trocken an. Ilkas Hände waren verschwitzt und klamm. Rasch schlüpfte sie aus dem Haus.
    Drauߟen legte sich kalt die Luft auf ihr Gesicht. Ilka blieb eine Weile stehen, um die Abkühlung zu genieߟen, dann entsicherte sie ihr Fahrrad und schwang sich auf den Sattel. Sie hatte es wirklich und wahrhaftig überstanden. Tante Marei würde zufrieden sein.
    Aber es war erst der Anfang gewesen. Es würde weitergehen, Woche für Woche für Woche. Sie schob den Gedanken von sich. Heute war heute und Freitag war noch weit. Sie würde einfach nicht mehr daran denken. Leise fing sie an zu pfeifen.
     
    Merle tigerte in der Küche auf und ab. Zwischendurch knipste sie ein welkes Blatt von der Zimmerlinde, wischte mit einem feuchten Tuch über die Fensterbank, machte die Katzenschälchen sauber.
    »Setz dich hin! Du machst mich nervös, Merle.«
    »Ich kann nicht.«
    »Klar kannst du. Komm schon.« Ich rückte ihr einen Stuhl zurecht.
    Merle setzte sich hin und stand gleich wieder auf. »Geht nicht. Ich werde noch verrückt. Was denkt der Typ sich eigentlich, uns so lange schmoren zu lassen?«
    »Es sind noch zehn Minuten, Merle. Er lässt uns nicht schmoren.«
    »Echt?« Sie lieߟ sich auf den Stuhl sinken und sah mich an. »Ich bring das nicht, Jette. Das Zimmer gehört Caro, immer noch, ganz egal...« Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Ich stand auf, ging neben ihrem Stuhl in die Hocke und zog sie an mich. Ihr Kopf sank auf meine Schulter und ich streichelte ihr Haar. Es tat mir gut, sie zu halten. Sie war so oft für mich da gewesen, das konnte ich ihr in hundert Jahren nicht zurückgeben.
    Ihre Tränen machten meinen Hals und meinen Pulli nass. Wir würden einen tollen Eindruck bei diesem Mike hinterlassen, Merle mit verheulten Augen und verquollenem Gesicht, ich mit Trauermiene und durchnässter Schulter.
    »Sie hätte nicht gewollt, dass wir mit ihrem Gespenst leben«, sagte ich. »Sie hätte gewollt, dass sie in unseren Gedanken lebendig bleibt und dass wir alles tun, um glücklich zu sein, weil sie dadurch irgendwie auch glücklich ist, verstehst du?«
    Merle nickte, schluchzte noch einmal auf, hob den Kopf und angelte nach einem Taschentuch. Lautstark putzte sie sich die Nase und grinste mich schief an.
    »Das hast du schön gesagt, Jette. Auch wenn ich€™s nicht ganz kapiert hab. Ich brauch jetzt einen Kaffee, du auch?«
    Erleichtert machte ich mich an der Espressomaschine zu schaffen. Meine Mutter hätte uns damals zum Einzug kein besseres Geschenk machen können. Man konnte damit Espresso und Cappuccino aufbrühen und einen Kaffee mit einer Cremeschicht, wie es sie in keinem EisCaffee besser gab.
    »Vielleicht ist er ja nett«, sagte Merle. »Seine Stimme klang jedenfalls so.«
    »Caro wird uns den Richtigen schicken.« Ich reichte ihr die erste Tasse.
    »Bestimmt.« Merle nahm einen Schluck. »Verdammt! Ist der heiߟ!«
    Wir glaubten beide nicht an den Himmel (oder die Hölle), aber wir spürten, dass Caro manchmal in unserer Nähe war. Merle, die sich viel mit dem Thema 
Tod
 auseinander gesetzt und stapelweise Literatur dazu verschlungen hatte, war überzeugt, dass Verstorbene verschiedene Stufen der Vergeistigung durchliefen, bis sie irgendwann zu reinem Geist wurden. Die erste dieser Stufen verband sie noch intensiv mit der Erde und den Menschen, die sie in ihrem Leben begleitet hatten.
    Ich setzte mich mit meinem Kaffee zu Merle an den Tisch. Wir schwiegen. Jede war in ihre eigenen Gedanken versunken. Als es läutete, verschüttete ich meinen Kaffee, und Merle verschluckte sich.
    »Was soll€™s«, sagte Merle. »Wenn er uns nicht nimmt, wie wir sind, dann soll er sich zum Teufel scheren. Es gibt schlieߟlich noch andere, die auf das Zimmer scharf sind.« Und sie stand auf, um die Tür zu öffnen.
     
    Das Mädchen, das ihm aufmachte, hatte grellrot gefärbtes Haar, das sie offensichtlich selbst geschnitten hatte, denn es stand ihr in unregelmäߟigen Büscheln vom Kopf ab. Ihr Lächeln wirkte angestrengt und überdeckte nicht die Aufmerksamkeit,

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