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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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verrottetes System, das ihre Gefühle in Gift verwandelte?
    Sie hatten auch ein Wort gefunden für das, was Ruben mit Ilka verband. 
Inzest
. Es war ihm manchmal, als hätten sie ihm das Wort auf die Stirn gebrannt. Wie ein Kainsmal. 
Inzest
. Und jeder konnte ihn anspucken und mit Steinen bewerfen.
    Ruben stieg die Treppe hinauf. Mit jeder Stufe wuchs seine Wut. Er schlug die Tür zum Keller zu, dass es schepperte. Dann ging er in den Garten hinaus, um sich wieder in den Griff zu bekommen.

    Am Zaun stand eine alte Schubkarre, halb zerfressen vom Rost. Er hob sie hoch und schleuderte sie weg, so weit er konnte. Nicht die Fassung verlieren. Nie wieder. Das hatte er sich vorgenommen. Denn wenn er die Fassung verlor, konnte er alles verlieren.
     
    Sie stand vor ihm, klein, blass und zitternd vor Kälte. Mike machte die Tür weit auf. Ilka kam herein, legte ihm die Arme um die Taille und lieߟ den Kopf an seine Schulter sinken. Er hielt sie fest und küsste ihr Haar. Es roch nach Winter und Kälte und rauchiger Luft. Als wäre sie an einem Laubfeuer vorbeigegangen.
    Wieder wusste er nicht, wo sie gewesen war und was sie so runtergezogen hatte. Er wusste nur, dass sie zu ihm zurückgekehrt war, von wo auch immer, und er hätte heulen können vor Dankbarkeit.
    »Wollt ihr zwei hier Wurzeln schlagen?«
    Merle hielt einladend einen dampfenden Becher hoch. Der Duft nach Pfefferminztee füllte den Flur.
    »Auߟerdem zieht€™s hier wie Hechtsuppe, und die Nachbarn freuen sich bestimmt, dass sie mal wieder was geboten kriegen. Nun macht schon endlich die Tür zu.«
    Ihre Stimme hatte den Bann gebrochen. Ilka erwachte langsam aus ihrer Erstarrung. Ein kleines Lächeln wagte sich auf ihr Gesicht. Sie gab Mike ihre Jacke und lieߟ sich von Merle in die Küche ziehen, die völlig überheizt war, weil sie gerade damit beschäftigt waren zu kochen.
    »Hi, Ilka.« Jette drückte ihr einen Löffel in die Hand. »Probier mal. Irgendwie krieg ich die Soߟe nicht hin.«
    Mike hatte die Jacke aufgehängt und holte Geschirr aus dem Schrank. Er deckte den Tisch, ohne Ilka aus den Augen zu lassen. Sie bewegte sich wie eine Schlafwandlerin. Was, zum Teufel, hatten sie mit ihr gemacht? Und wer?
    Er stellte sich diese Fragen, seit er Ilka kannte. Manchmal war er kurz davor, auf den Tisch zu hauen und ganz direkt die Wahrheit zu verlangen. Natürlich wusste er, dass Ilka dann vollends verstummen würde. Also tat er es nicht. Blieb geduldig. Und wartete.
    »Schön, dass du es noch geschafft hast«, sagte Jette, als sie beim Essen saߟen. »Hattest du einen stressigen Tag?«
    Ilka wickelte mit Inbrunst Spagetti um ihre Gabel.
    »Hauptsache, du bist da«, lenkte Merle ab. Dann und wann hatte sie ein phänomenales Gespür für Zwischentöne. »Habt ihr nachher noch Lust auf eine Runde Doppelkopf?«
    Das war ihre neue Leidenschaft. Sie spielten oft die halbe Nacht lang. Und hingen natürlich am nächsten Tag in der Schule durch.
    »Au ja.« Mike ballte die Faust. »Ich mach euch fertig!«
    »Angeber!« Jette knuffte ihn in die Seite. »Ilka?«
    Ilka nickte. Eine Ewigkeit schon drehte sie ihre Gabel auf dem Teller. Jetzt sah sie auf. »Danke. Ihr seid so lieb zu mir.«
    Eine halbe Stunde später verteilte Mike die Karten. Man hörte nur das Brummen des Kühlschranks und das leise Geräusch, mit dem die Karten auf den Tisch fielen. In die Stille hinein sagte Ilka: »Ich bin bei meiner Mutter gewesen.«
    Sie hatte noch nie von ihrer Mutter gesprochen. Jeder war davon ausgegangen, dass ihre Eltern beide bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Deshalb wusste nun keiner, wie er reagieren sollte.
    Merle starrte auf die Karten in ihrer Hand. Mike starrte Ilka an. Jette war die Erste, die sich wieder fing. »Bei deiner Mutter? Du musst uns irgendwann von ihr erzählen.«
    Sie spielten weiter. Ilka taute auf. Ihre Wangen bekamen Farbe und ihre Augen glänzten. Sie lächelte Mike zu. Er lächelte zurück.
    Doch seine Gedanken waren woanders. Ihre Mutter lebte. Warum hatte Ilka dann den Eindruck erweckt, sie sei tot?
     

Kapitel 9
    Bert saߟ in seinem Büro und versuchte, sich zu konzentrieren. Seit er in der alten Mühle gewesen war und mit Jette gesprochen hatte, war alles in ihm wieder aufgewühlt, was er so mühsam geglättet hatte. Es hatte ihn damals mehr erwischt, als er sich eingestehen wollte.
    Imke Thalheim. Er hatte ihre Gegenwart in jedem Zimmer gespürt. Jetzt fragte er sich, ob vielleicht eine tiefere Bedeutung darin lag,

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