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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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aus ihrem Leben verschwunden.
    Und trotzdem war Ruben noch da. Was Ilka auch tat, unausgesprochen hing sein Name im Raum, immerzu. Nachts brachten Träume Ruben zurück. Obwohl Ilka sich von ihm gelöst hatte, lebte sie weiterhin mit ihm zusammen.
    Ihr Blick begegnete dem ihrer Mutter. Anne Helmbachs Augen waren blass und farblos geworden. Ilka konnte sich nicht daran erinnern, wie sie früher gewesen waren.
    Das war furchtbar! Sie musste sich doch an die Augenfarbe ihrer Mutter erinnern können! Schlieߟlich hatte sie auch die Augenfarbe ihres Vaters nicht vergessen. Braun waren seine Augen gewesen, ganz dunkel, fast schwarz. Wie seine Haare und sein Bart.
    An andere Dinge hatte sie sehr präzise Erinnerungen. Zum Beispiel daran, dass ihre Mutter die Haare immer kurz getragen hatte. Jetzt waren sie schulterlang. Meistens trug sie sie im Nacken gebunden. Es war kein Glanz in den Haaren. Als wäre er mit der Freude am Leben erloschen.
    »Tante Marei, Onkel Knut und die Zwillinge lassen dich grüߟen. Tante Marei sagt, sie kommt dich bald wieder besuchen.«
    Anne Helmbach rieb sich übers Gesicht. Ein Zeichen dafür, dass sie erschöpft war. Sie wurde sehr schnell müde. Dick traten die Adern auf ihren Handrücken hervor. Ilka wäre gern noch ein bisschen mit ihr durch den Garten gegangen. Aber ihre Mutter hatte gerade eine heftige Erkältung hinter sich. Sie musste sich noch schonen.
    »Nächstes Mal machen wir einen Spaziergang, ja? Vielleicht gucken dann ja die Schneeglöckchen schon aus der Erde.«
    Ob die Mutter sich noch nach dem Vater sehnte? Erging es ihr wie Ilka, die immer wieder träumte, sein Tod sei ein schrecklicher Irrtum gewesen und er sei noch lebendig und warte irgendwo auf sie? Vermisste sie Ruben, den sie seit Jahren nicht gesehen hatte?
    Ilka zog ihre Jacke an und wickelte sich den Schal um den Hals. Ihre Mutter sah ihr dabei zu. Sie lächelte wieder. Vielleicht fühlte sie sich in diesem Lächeln aufgehoben, wer wusste das schon.
    »Pass auf dich auf, Mama.«
    Ilka beugte sich zu ihrer Mutter hinunter und nahm sie in die Arme. Anne Helmbach zeigte keine Reaktion. Ebenso gut hätte Ilka eine Puppe umarmen können.
    »Ich hab dich lieb«, flüsterte sie.

    Dann verlieߟ sie schnell das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie kam unbemerkt am Büro und an der Pforte vorbei. Das war gut so, denn niemand sollte ihre Tränen sehen.
     
    Ruben ging langsam durch die Räume und schaute sich um. Die Architektin hatte hervorragende Arbeit geleistet. Sie hatte sogar einen Reinigungstrupp engagiert und die Zimmer bezugsfertig herrichten lassen. Er atmete den frischen Geruch ein. Alles war sauber und neu. Obwohl es ein altes Haus war. Ein Haus, das voller Geschichten steckte. Das bereit war für eine neue Geschichte. Die Geschichte einer groߟen, niemals endenden Liebe.
    Für einen Moment kam die Sonne zwischen den Wolken hervor. Ihr Licht brach sich in den bunten Ornamenten der Jugendstilfenster und zeichnete ein farbiges Muster auf den Holzfuߟboden des Wohnzimmers. Die Küche lag um diese Zeit im Schatten. Bestimmt war sie im Sommer wunderbar kühl. Ruben hatte den Lauf der Sonne hier verfolgt. Morgens wärmte sie die Küche, wanderte gegen Mittag ums Haus und blieb bis zum Abend auf der Wohnzimmerseite.
    Im ersten Stock befanden sich zwei Schlafzimmer und ein Zimmer, das Ruben vorerst als Arbeitszimmer nutzen wollte. Diese Räume sollte Ilka umgestalten und so einrichten, wie es ihrem Geschmack entsprach. Später, wenn sie bereit dazu wäre.
    Das Dachgeschoss hatte Ruben zuerst unverändert lassen wollen, doch dann hatte er sich gesagt, dass zu viel Zeit vergangen war, um in Sentimentalität zu schwelgen. Sie waren erwachsen geworden, Ilka und er, und würden einen anderen Weg zueinander finden. Also hatte er es ausbauen lassen zu einem Atelier.
    Er stellte sich in die Mitte des Raums und lieߟ die Stimmung auf sich wirken. Durch die lange Fensterfront sah er Himmel und Tannengrün, nichts sonst weit und breit. Hier würde er malen können, nichts würde ihn ablenken, nichts stören.
    Auߟer Ilka. Sie dürfte zu ihm kommen, wann immer ihr danach war. Sie würde sowieso oft genug in diesem Raum sein. Er würde sie malen, malen und malen. Er hatte Jahre nachzuholen.
    Er fuhr mit den Fingern über das glatte weiߟe Holz der Einbauschränke, die ausreichend Platz für seine Bilder boten, warf einen letzten Blick aus dem Fenster und ging dann zur Tür. Es juckte ihn in den Fingern, hier

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