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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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wovor fürchtete sie sich? Oder vor wem?
    Unmöglich, dass sie ihn entdeckt hatte. Dazu war er zu vorsichtig gewesen. Bis auf die kleine Panne, als sie versucht hatte, ins Innere des Wagens zu schauen. Natürlich hatte sie nichts erkennen können. Die Fensterscheiben waren abgedunkelt. Bei anderen Lichtverhältnissen jedoch hätte die Situation eskalieren können. Dieser Gedanke hatte Ruben einen Schock versetzt.
    Er ertrug es nicht, Ilka so zu sehen. Rasch drückte er auf den Schalter, der die Türen verriegelte, und umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen. Er durfte auf keinen Fall aussteigen. Damit er nicht in das verhasste Haus da drüben stürmte und sie rausholte.
    Wie sie ihn anstarren würden. Tante Marei im Nachthemd, Onkel Knut im Schlafanzug, die blöden Zwillinge aneinander geklammert, die Augen vor Entsetzen geweitet. Wie er das genieߟen würde.
    Er würde Onkel Knut einen Schlag versetzen. Einen einzigen nur. Der würde ausreichen für diesen hühnerbrüstigen Schwächling. Tante Marei würde er lediglich zur Seite stoߟen. Sie hatte eine groߟe Klappe, aber den Mut einer Maus. Die Zwillinge würde er kurz anfauchen und schon wären sie folgsam in ihrem Zimmer verschwunden. Keiner in dieser Familie hatte Mumm.
    Und dann würde er Ilka aus dem Haus tragen. So hatte er es sich oft vorgestellt. Sie zu retten wie der Schwarze Ritter. Hoch zu Ross. In glänzender Rüstung. Doch der Alltag erlaubte keine Träume. Er stutzte sie auf ein klägliches Maߟ zurück.
    Ruben sah das Licht in ihrem Zimmer angehen und dann ihren Schatten am Fenster. Sie schaute hinaus. War ihr etwas aufgefallen? Nein. Sie konnte ihn nicht bemerkt haben. Er hatte ganz hinten geparkt, am Ende der Straߟe.
    Wahrscheinlich war es ihr Instinkt gewesen, der sie gewarnt hatte. Ilka war keine dieser überzivilisierten, unnatürlichen Zicken, die in Massen durch die Straߟen liefen. Sie war ihm oft vorgekommen wie ein Wesen von einem anderen Stern. Sie konnte Stimmungen erspüren wie niemand sonst, den er kannte. Oft hatte sie gewusst, was er dachte, bevor er es ausgesprochen hatte. Sie waren sich so nah gewesen.
    Und jetzt war er dazu verdammt, im Auto zu sitzen und sehnsüchtig ihren Schatten zu beobachten, der sich im Zimmer hin und her bewegte. Er wartete, bis ihr Fenster dunkel wurde. Dann startete er den Motor und rollte rückwärts, fast lautlos und ohne Licht.

    Er würde sich beeilen. Jeder Tag ohne Ilka war ein verlorener Tag. Er hatte sich das Versprechen gegeben, keinen unnötig zu verschwenden.
     
    Ich brauchte dringend Lesefutter und war in die Buchhandlung gegangen, um mal wieder ausgiebig in den Ramschkisten zu wühlen. Zwar darf ich jederzeit die Bibliothek meiner Mutter nutzen, aber ich habe ein ziemlich gewöhnungsbedürftiges Leseverhalten. Ein Buch, mit dem ich fertig bin, hat Kaffee-, Honig- und Puddingflecken, geknickte Ecken und eingerissene Seiten. Das kann ich meiner Mutter unmöglich zumuten.
    Sie geht mit Büchern um wie mit heiligen Gegenständen. Nie habe ich sie in der Badewanne schmökern sehen, nie in einen Sessel gelümmelt oder über einen Tisch gebeugt, ungeschminkt, die Hände in den Haaren vergraben. Meine Mutter liest, wie sie schreibt - diszipliniert und ordentlich.
    Ich war schon immer eine Querbeetleserin und interessiere mich für alles, was mir in die Hände fällt. Im äuߟersten Notfall tut€™s auch der Pfarrbrief oder die 
Bäckerblume
. Jetzt war mir nach Lebensgeschichten. Ich hielt gerade die von John Lennon in der Hand, als mir jemand auf die Schulter tippte.
    »Wie wär€™s mit einem Stück Kuchen? Ich lade dich ein.«
    Mike strahlte mich an wie einen verloren geglaubten Menschen, den er seit einem halben Leben nicht gesehen hatte, dabei hatten wir noch am Morgen zusammen gefrühstückt.
    »Wenn du einen Moment auf mich wartest.« Ich hatte meine Besitzverhältnisse im Kopf überschlagen und beschlossen, die Lennon-Biografie zu kaufen, obwohl sie nicht reduziert war und ein kleines Vermögen kostete.
    Mike warf einen Blick auf den Umschlag. »Üœber Lennon hab ich verschiedene Sachen zu Hause. Kannst du dir gerne ausleihen.« Er bemerkte mein Zögern und grinste. »Meine Bücher sind Kummer gewöhnt. Auf ein paar Macken mehr kommt€™s da nicht an.«
    Wenig später saߟen wir zusammen im 
Antik
, einem Caffee, das ausschlieߟlich mit alten Möbeln eingerichtet ist, die man vom Fleck weg kaufen kann, ebenso wie das Geschirr und die Bilder an den Wänden. Mike trank

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