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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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dass das Schicksal sie erneut zusammenführte?
    Er gab sich einen Ruck und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Der Einbruch bei Imke Thalheim war der zwölfte einer Serie von Einbrüchen im Umkreis. Bert und die Kollegen waren sich noch nicht klar darüber, ob all diese Diebstahldelikte zusammenhingen. Es schien keine Handschrift zu geben, die allen Fällen gemeinsam war.
    Der Chef hatte angeordnet, dass die Saisonarbeiter, die im vergangenen Jahr in der Gegend gearbeitet hatten, unter die Lupe genommen werden sollten. Es wäre doch denkbar, hatte er bei einer der letzten Frühbesprechungen gemeint, dass sie während ihres Aufenthalts die Häuser der umliegenden Ortschaften ausgekundschaftet hatten, um später dann zuzuschlagen oder andere zuschlagen zu lassen. Er hatte mit Zahlen jongliert und die Statistik bemüht und viele hatten zustimmend genickt.
    Bert hatte etwas gegen den einfachen Weg. Immer lag es auf der Hand, sich zuerst mit den Minderheiten zu befassen. Es ärgerte ihn maߟlos, dass der letzte Mordfall, in dem er ermittelt hatte, die allgemeinen Vorurteile noch bestätigte.
    Gebt den satten Bürgern ihr Feindbild, und sie werden glücklich und zufrieden sein, dachte er. War es nicht immer so? Sobald feststand, dass der Störenfried nicht in den eigenen Reihen zu finden war, machte sich Erleichterung breit.
    Er sah auf die Uhr. Halb eins. Zeit für das Mittagessen und eine kleine Verschnaufpause, für die er dankbar war. Aber er hatte keine Lust, sie mit seinen Kollegen zu verbringen. Auߟerdem ging ihm das Kantinenessen allmählich auf die Nerven. Es war der ewig gleiche Trott, der ihm zu schaffen machte. Und ganz sicher schlug sich die Macht der Gewohnheit auch auf die Denkstrukturen nieder.
    »Sie meinen also allen Ernstes«, hatte der Chef gestern noch gefragt, »derjenige, der täglich seinen Teller Eintopf isst, blockiert sich selbst bei der Suche nach dem Täter?«
    Bert hasste es, wenn seine Gedanken dermaߟen platt vereinfacht wurden. Der Chef neigte dazu. Er war ein Meister darin, unbequeme Einwände mit einer schroffen Handbewegung vom Tisch zu fegen. Bert konnte ihn sich gut als Sheriff in einem verräucherten Saloon vorstellen.
    Aber hier war nicht der Wilde Westen, und deshalb sagte Bert: »Im Grunde genommen, ja.« Es hatte keinen Sinn, noch einmal zu argumentieren. Es gab einen Punkt, an dem stellte der Chef sich taub.
    »Dann sollten wir eine Sonderkommission gründen, die den Speiseplan der Kantine revolutioniert.« Der Chef hatte breit gegrinst, um seinen Ąrger zu verdecken. Mitarbeiter, die ihre Situation reflektierten, waren ihm ein Dorn im Auge.
    Bert lieߟ sich davon nicht beeindrucken. Bei der letzten Auseinandersetzung hatte der Chef ihm den Zeigefinger in den Bauch gestochen und ihn angebrüllt: »Wenn ich mit Denkern arbeiten will, dann wende ich mich an die philosophische Fakultät!«
    So war er. Bert hatte sich längst an seine aufbrausende Art gewöhnt. Die Tobsuchtsanfälle nahm er hin wie Gewitter. Er wusste, dass man mit ihm reden konnte, sofern man nicht am Grundsätzlichen rüttelte. Das war bei vielen Kollegen so. In diesem Job brauchte man festen Boden, auf den man die Füߟe setzen konnte. Idealisten wurden ganz schnell von den Wolken heruntergepflückt.
    Bert zog seinen Mantel an, fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss, grüߟte auf dem Weg zur Tür nach hierhin und dorthin, verlieߟ das Haus, schlug den Mantelkragen hoch und schlenderte durch die Fuߟgängerzone. Umgeben von lauter Menschen, die er nicht kannte, fühlte er sich im Augenblick am wohlsten. Da konnte er seinen Gedanken nachhängen, ohne ständig Erklärungen abgeben oder sich rechtfertigen zu müssen.

    Er brauchte ein bisschen frische Luft, bevor er sich wieder an den Schreibtisch setzte. Und Abstand. Die Einbruchserie wurde nicht von ihm bearbeitet, sondern von einem Kollegen. Warum also sollte er sich damit beschäftigen? Natürlich war ihm klar, warum er es dennoch tat, und er beschleunigte seine Schritte, als könnte er vor der Wahrheit davonlaufen.
     
    Sie hatte bei Mike übernachtet und war nun auf dem Weg nach Hause. Es war noch früh, kaum Leben auf den Straߟen. Dann und wann fuhr ein Auto vorbei, hier und da leuchtete eines der Fenster in der Dunkelheit, noch nicht mal die Vögel waren aufgewacht.
    Ilka liebte diese Stimmung zwischen Nacht und Tag, die einen mit kalten Fingern berührte. Obwohl sie davon manchmal so traurig wurde, dass sie nur mit Mühe die Tränen

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