Der männliche Makel: Roman (German Edition)
wusste, dass sich in meinem Leben einiges verändern würde. Deshalb habe ich ja auch ein Kindermädchen, das im Haus wohnt, und außerdem noch zwei Ersatzbabysitter für Notfälle eingestellt. Nur, um mit ansehen zu müssen, dass eine nach der anderen das Handtuch warf. Und zwar aus denselben Gründen, die Elka nun umtreiben.
Allerdings muss ich zu meiner Verteidigung vorbringen, dass ich keine Hellseherin bin. Woher hätte ich wissen sollen, dass sich meine Arbeitsbelastung wegen des massiven Stellenabbaus in den letzten beiden Jahren verdoppeln würde? Außerdem, so denke ich, inzwischen absolut gereizt und erschöpft, begreift Elka offenbar nicht, warum ich mir diesen Wahnsinn antue. Doch nur, um nicht den Verstand zu verlieren und um meiner kleinen Tochter so viel wie möglich bieten zu können. Es ist ja wohl nicht meine Schuld, dass ich nicht an zwei Orten gleichzeitig sein kann. Nicht angesichts der Arbeitsleistung, die man von mir erwartet. Und ganz bestimmt nicht, solange meine Vertragsverlängerung, die in einem halben Jahr fällig wird, nicht in trockenen Tüchern ist. Nicht jetzt. Denn abgesehen von all den anderen Problemen, liegt auch in der Redaktion etwas im Argen, obwohl ich über solche Dinge eigentlich nur sehr ungern spreche.
Das Problem hat einen Namen, und zwar Seth Coleman, der neue Redaktionsleiter der Post .
Ach, Seth Coleman, wo soll ich anfangen? Er sitzt noch gar nicht so lange auf seinem Posten und wurde von Headhuntern von der Sunday Press abgeworben, als sein sympathischer Vorgänger die Post verließ. Ich habe den Verdacht, dass ich ihn vertrieben habe, und nun vermisse ich ihn mehr als meine rechte Hand. Sein offizieller Kündigungsgrund lautete »Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben«, und offen gestanden kann ich ihm daraus keinen Vorwurf machen. Wenn man mich offiziell nach meiner Meinung zu Seth fragt, lächle ich gekünstelt, lobe seine Führungsqualitäten und seine Branchenkenntnisse und füge hinzu, er sei stets beruflich sehr engagiert.
Doch unter der Dusche, inzwischen der einzige Ort, wo ich ein wenig Zeit für mich habe, beschimpfe ich Seth Coleman als scheinheiliges A… mit übergroßem Ego. Er ist ein Vertreter nahezu sämtlicher Eigenschaften, die ich an der Spezies Mann verabscheue, und schafft es sogar, immer wieder neue Widerwärtigkeiten zu entwickeln. Mir gegenüber verhält er sich herablassend, aber ich weiß, wie sehr es ihn wurmt, eine Frau als Vorgesetzte zu haben. Und es geht das Gerücht um, dass er bereits an meinem Stuhl sägt.
Er ist die Missgunst in Person, merkt sich jeden meiner beruflichen Patzer und zählt sorgfältig meine Fehler, während er meine Erfolge unter den Tisch fallen lässt. Außerdem lästert er hinter meinem Rücken über mich, was mir natürlich prompt zu Ohren kommt: Seit Lilys Geburt hätte ich abgebaut und nicht mehr den Biss von früher. Außerdem identifizierte ich mich nicht mehr mit meinem Job. Man braucht mich nicht eigens darauf hinzuweisen, dass er auf Zeit spielt und nur darauf wartet, dass ich mir eine Blöße gebe. Und deshalb darf ich mir keine Schwäche erlauben.
Also tue ich, was nötig ist. Ich gehe in die Redaktion, mime die peitschenknallende Domina und verhalte mich so, wie man es von mir erwartet. Allerdings fällt mir das von Tag zu Tag schwerer, so sehr ich meinen Beruf auch liebe. Und dennoch ist der schönste Moment meines Tages, wenn ich nach Hause komme und das blonde Köpfchen meiner Tochter sehe, die, an ihren Lieblingsteddy gekuschelt, schlafend wie ein Engel in ihrem Bettchen liegt. Dann betrachte ich ihr niedliches sommersprossiges Gesicht und flüstere ihr zu, dass ich sie so sehr liebe und dass wir eines Tages mehr Zeit füreinander haben werden.
Aber nun zurück zu Elka, die immer noch auf dem Treppenabsatz steht und, beinahe ohne Luft zu holen, Gift und Galle spuckt.
»Lily ist wunderschone kleine Mädchen«, schleudert sie mir entgegen, »und ich traurig bin, weil ich mich von ihr verabschieden muss. Doch die Zeiten, die du mich arbeiten lässt, sind verruckt. Verruckt! Und sie machen mich verruckt!«
»Entschuldige«, falle ich ihr ins Wort, da ich es nicht mehr aushalte. »Ich komme zu spät zur Arbeit. Können wir bitte später weiterreden?«
»Ich bin noch nicht fertig! Meine Freundinnen sagen, du musst mir eine Steuerbescheinigung über alle bisherigen Gehaltsanspruche ausstellen, bevor ich gehe.«
Interessant, denke ich spöttisch, während ich nach dem
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