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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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Frühstück Pfannkuchen zu machen, mit ihr im Kino einen Disney-Film anzuschauen oder im Park die Enten zu füttern. Sie also nach Strich und Faden zu verwöhnen und eine richtige Mummy zu sein.
    Doch ich muss zugeben, dass Elka recht haben könnte, durch den letzten Stellenabbau wurde nämlich sogar die kostbare Mummyzeit am Sonntag stark in Mitleidenschaft gezogen. Nehmen wir zum Beispiel letzte Woche. Ich hatte Lily ihr Frühstück gemacht und spielte Teetrinken mit der kleinen Armee von Puppen, die ich ihr geschenkt hatte. Gerade wollte ich mit ihr in den Spielzeugladen fahren, um ihr eine kleine Freude zu bereiten, als die Redaktion anrief. Ich müsse sofort kommen, denn es sei wegen der neuen Entwicklungen in Afghanistan eine Notfallsitzung anberaumt worden. Was hätte ich tun sollen? Ich musste einfach hin. Das gehört zu meinem Beruf dazu.
    Auch wenn ich es mir vielleicht nicht anmerken lasse, liebe ich meine kleine Lily so sehr, dass es mir fast körperliche Schmerzen bereitet, von ihr getrennt zu sein. Herrje, ich fühle mich ohnehin schon schuldig genug und habe es deshalb nicht nötig, mir das von jemandem, den ich bezahle, auch noch unter die Nase reiben zu lassen.
    »Ich habe einen Vorschlag, Elka«, sage ich ruhig und mit so tiefer Stimme wie möglich, weil ich gelernt habe, dass man auf diese Weise Konflikte am besten aus der Welt schafft. Und damit sollte ich mich eigentlich auskennen, schließlich habe ich im Laufe meines Lebens so einige Klippen umschifft. »Ist es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, einfach deine Arbeit zu machen und mich meine machen zu lassen? Wenn ich heute Abend nach Hause komme, haben wir Zeit, ausführlich darüber zu reden. Was meinst du?«
    Aber Madam hat keine Lust, vernünftig zu sein.
    »… und wie ich zu den anderen Kindermädchen sage, hast du keinen Mann und keinen Freund, sondern bist verheiratet mit deiner Arbeit.«
    Und … peng.
    »Verzeihung, was war das gerade?«
    »… alle anderen Kinder, die ich kenne, haben Mutter und Vater, nur Lily nicht. Sie hat nur Mutter. Also muss Mutter mehr für sie da sein. Viel, viel mehr.«
    Gut, das hat sich jetzt angefühlt wie eine kräftige Ohrfeige, die so wehtut, dass ich im ersten Moment wie erstarrt bin. Und daher fauche ich sie an, sobald ich wieder zu mir komme. In letzter Zeit fauche ich sowieso alle nur noch an. Doch das ist nun mal das Ergebnis, wenn man immer und dauernd erschöpft ist und unter Stress steht.
    »Elka, ich habe dir von Anfang an erklärt, dass ich alleinerziehend bin«, entgegne ich spitz. »Ich habe damit kein Problem und Lily auch nicht. Falls es dich stört, hättest du mir das gleich sagen sollen.«
    »Alleinerziehende Eltern müssen mehr Zeit für ihre Kinder haben, nicht weniger.«
    So, inzwischen koche ich vor Wut. Denn sie hat mit der Treffsicherheit einer Fliegerbombe genau meinen wunden Punkt erwischt. Ja, ich bin alleinerziehend, und ja, das kann auch gewaltige Nachteile haben. Aber ich vertrete die Einstellung, dass ich damit irgendwie klarkommen muss. Lilys Vater ist ein Tabuthema. Und zwar für immer und ewig.
    Ich darf gar nicht daran denken, wie viel Geld ich Elka jeden Monat in den Rachen werfe. Und wofür? Dafür, dass sie sich hinstellt, Werturteile über mein Leben fällt und mich demütigt, bis ich mich so klein mit Hut fühle? Damit sie den ganzen Tag mit einem knapp dreijährigen Mädchen spielen kann? Glaubt sie denn, ich würde nicht sofort zugreifen, wenn sich mir die Gelegenheit böte, dass ich zu Hause bleibe und Vollzeitmutter werde? Ist ihr nicht klar, dass es sich jedes Mal anfühlt wie ein Schlag in die Magengrube, wenn ich Lilys Blondschöpfchen zum Abschied küsse? Am schlimmsten ist es, sich die vielen Nachrichten anzuhören, die sie auf meiner Mailbox in der Redaktion hinterlässt. Mit ihrem engelsgleichen Babystimmchen sagt sie immer wieder dasselbe. Ich vermisse dich, Mama. Wann kommst du nach Hause? Manchmal möchte ich sie einfach nur umarmen und ihr erklären, dass sie sich das Erwachsenwerden sparen soll. Es ist die Mühe nicht wert. Bleib einfach so. Bleib für immer mein kleines Mädchen.
    Versteht denn niemand, wie sehr ich darunter leide, so vieles bei ihr verpasst zu haben? Ihre ersten Schritte. Die ersten Wörter … nie bin ich dabei. Entweder sitze ich in einem Meeting, schreibe einen Leitartikel oder halte eine Pressekonferenz ab. Immer arbeite ich. Natürlich habe ich mich bewusst dafür entschieden, alleinerziehende Mutter zu werden. Ich

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