Der magische Pflug
könnten wir ihnen helfen«, widersprach Mama. »Wir haben noch etwas übrig.«
»Nun denk doch mal einen Augenblick darüber nach, Mama, wie das aussehen würde. Plötzlich bekommen die Berrys ein Mischlingsbaby wie dieses hier, das man bloß anzusehen braucht, um zu wissen, daß es zur Hälfte weiß ist. Und dann fängt Horace Guester auch noch an, den Berrys Geschenke zu bringen.«
Mama lief rot an. »Was weißt du denn überhaupt über solche Sachen?« fragte sie scharf.
»Ach du liebe Güte, Mama, ich bin schließlich eine Fackel. Und du weißt, daß die Leute anfangen würden zu tratschen. Das weißt du ganz genau.«
Mama sah auf das schwarze Mädchen hinunter. »Du hast uns in eine Menge Schwierigkeiten gebracht, meine Kleine.«
Das Baby wurde unruhig.
Mama stand auf und schritt zum Fenster hinüber, als könnte sie in die Nacht hinaussehen und am Himmel eine geschriebene Antwort entziffern. Dann wandte sie sich abrupt um, schritt zur Tür und öffnete sie.
»Mama«, sagte Peggy.
»Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Gans zu rupfen«, versetzte Mama.
Peggy schaute, woran Mama gedacht hatte. Wenn sie das Baby nicht hinunter zu den Berrys bringen konnten, konnten sie es vielleicht hier im Gasthof behalten und behaupten, daß sie sich anstelle der Berrys seiner annähmen, weil diese so arm seien. Solange die Familie Berry mitmachte, würde dies das plötzliche Auftauchen eines Mischlingsbabys erklären. Und niemand würde glauben, daß das Baby Horaces Bastard sei – nicht, wenn seine Frau es persönlich ins Haus brachte.
»Du bist dir bewußt, was du da von ihnen verlangst, nicht wahr?« wollte Peggy wissen. »Dann wird nämlich jeder glauben, daß irgendein anderer mit Mr. Berrys Kuh den Boden beackert hat.«
Mama sah so überrascht aus, daß Peggy beinahe laut losgelacht hätte. »Ich wußte gar nicht, daß Schwarze sich wegen solcher Dinge Sorgen machen könnten«, erwiderte sie.
Peggy schüttelte den Kopf. »Mama, die Berrys sind so ziemlich die besten Christen in Hatrack River. Das müssen sie auch sein, um den Weißen unentwegt dafür zu vergeben, wie diese sie und ihre Kinder behandeln.«
Mama schloß die Tür wieder und lehnte sich daran. »Wie behandeln die Leute denn ihre Kinder?«
Das war eine wichtige Frage, wußte Peggy, und sie war Mama gerade noch rechtzeitig eingefallen. Es war eine Sache, dieses struppige, unruhige kleine Schwarzenbaby anzusehen und zu sagen: »Ich werde mich um dieses Kind kümmern und ihm das Leben retten.« Aber es war etwas völlig anderes, daran zu denken, wie es fünf und sieben und zehn und siebzehn Jahre alt wurde, um als junger Bengel hier mitten im Haus zu leben.
»Ich glaube, darüber brauchst du dir weniger Sorgen zu machen«, sagte Kleinpeggy. »Nicht halb so viel wie darüber, wie du diesen Jungen behandeln willst. Hast du vor, ihn zu deinem Dienstboten zu erziehen, zu einem Kind von niederem Stand in einem feinen Haushalt? Wenn dem so sein sollte, dann ist dieses Mädchen für nichts gestorben. Dann hätte sie es ebensogut zulassen können, daß der Kleine in den Süden verkauft würde.«
»Ich habe nie Sklaven gewollt«, widersprach Mama. »Und fang du nicht an, so etwas von mir zu behaupten!«
»Nun, was denn dann? Wirst du ihn behandeln wie deinen eigenen Sohn, gegen alle für ihn einstehen, wie du es mit deinem eigenen Sohn tätest?«
Peggy sah zu, wie Mama darüber nachdachte, und plötzlich schaute sie alle möglichen neuen Pfade, die sich in Mamas Herzensfeuer öffneten. Ein Sohn – das war es, was dieser halb-weiße Junge werden konnte. Und wenn die Leute hier ihn auch nur schief anblickten, weil er nicht ganz Weiß war, dann würden sie es mit Margaret Guester zu tun bekommen, o ja, und das würde ein fürchterlicher Tag für diese Leute werden! Nicht einmal der Gedanke an die Hölle würde sie noch schrecken können, wenn sie erst mit ihnen fertig war.
In all den Jahren, in denen Peggy Mama ins Herz geschaut hatte, hatte diese noch nie eine solch grimmige Entschlossenheit empfunden. Es war einer jener Augenblicke, da sich die ganze Zukunft eines Menschen vor ihren Augen verwandelte. Alle alten Wege waren mehr oder weniger ähnlich gewesen; Mama hatte keine Wahlmöglichkeiten gehabt, die ihrem Leben eine andere Richtung hätten verleihen können. Doch nun hatte ihr dieses sterbende Mädchen die Möglichkeit zur Veränderung gebracht. Nun gab es Hunderte von neuen Wegen, und auf jedem von ihnen war ein kleines Jungenkind, das sie
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