Der magische Pflug
auf eine Weise brauchte, wie ihre Tochter sie nie gebraucht hatte. Von Fremden gehänselt, von den Stadtjungen grausam behandelt, würde er immer und immer wieder zu ihr zurückkommen, um Schutz zu suchen, um sich belehren zu lassen, um sich abzuhärten, all das, was Peggy nie getan hatte.
Deshalb habe ich dich enttäuscht, nicht wahr, Mama? Weil ich schon viel zu früh viel zu viel wußte. Du wolltest, daß ich in meiner Verwirrtheit zu dir komme mit meinen Fragen. Aber ich hatte nie Fragen, Mama, weil ich schon als Kind alles wußte. Ich wußte, was es bedeutet, eine Frau zu sein, weil ich es in den Erinnerungen in deinem eigenen Kopf geschaut hatte. Ich wußte von ehelicher Liebe, ohne daß du es mir erklären mußtest. Nie mußte ich eine tränenreiche Nacht verbringen, an deine Schulter gepreßt, weinend, weil irgendein Junge, nach dem ich Verlangen hatte, mich nicht ansehen wollte; ich habe mich nie nach irgendeinem Jungen hier gesehnt. Ich habe nie etwas getan, wie du es von deinem kleinen Mädchen erwartet hast, weil ich die Gabe einer Fackel besaß, und ich wußte alles und brauchte nichts, was du mir geben wolltest.
Aber dieser halb-schwarze Junge, der wird dich brauchen, egal, welches Talent er haben mag. Ich erkenne jetzt alle diese Wege, ich sehe, daß er dir mehr Sohn sein wird, als ich dir jemals Tochter war, wenn du ihn nimmst, wenn du ihn aufziehst, obwohl mein Blut zur Hälfte deins ist.
»Tochter«, sagte Mama, »wenn ich jetzt durch diese Tür gehe, wird das dann gut für diesen Jungen werden – und auch für uns?«
»Soll das heißen, daß ich jetzt für dich schauen soll, Mama?«
»Ja, Kleinpeggy, und ich habe dich noch nie darum gebeten, wenigstens nicht für mich selbst.«
»Dann will ich es dir sagen.« Peggy brauchte nicht sonderlich weit in die Zukunft von Mamas verschiedenen Wegen zu spähen, um zu erkennen, wieviel Freude ihr der Junge machen würde. »Wenn du ihn aufnimmst und wie deinen eigenen Sohn behandelst, wirst du es nie bereuen.«
»Und was ist mit deinem Papa? Wird er ihn gut behandeln?«
»Kennst du deinen eigenen Mann nicht?« erwiderte Peggy.
Mama trat einen Schritt auf sie zu, die Hand zur Faust geballt, obwohl sie Peggy nie geschlagen hatte. »Jetzt werd' nicht frech zu mir«, sagte sie.
»Ich spreche so, wie ich immer spreche, wenn ich schaue«, erklärte Peggy. »Du kommst zu mir als Fackel, also rede ich auch als Fackel zu dir.«
»Dann sage mir, was du zu sagen hast.«
»Das ist ganz leicht. Wenn du nicht weißt, wie dein Mann diesen Jungen behandeln wird, dann kennst du deinen eigenen Mann nicht.«
»Vielleicht stimmt das sogar«, räumte Mama ein. »Vielleicht kenne ich ihn gar nicht. Vielleicht aber doch. Jedenfalls möchte ich, daß du mir sagst, ob ich recht habe, was Papa und diesen Jungen betrifft.«
»Du hast recht«, antwortete Peggy. »Er wird ihn gut behandeln und ihm sein Leben lang das Gefühl vermitteln, geliebt zu werden.«
»Aber wird er ihn wirklich lieben?«
Für Peggy gab es keine Möglichkeit, diese Frage zu beantworten. Für Papa gab es keine Liebe. Er würde sich um den Jungen kümmern, weil er mußte, weil er es als seine Pflicht empfand, aber der Junge würde den Unterschied nie bemerken. Für ihn würde es wie Liebe aussehen, und es würde sehr viel zuverlässiger sein, als Liebe es je sein könnte. Aber Mama dies zu erklären hätte bedeutet, ihr auch erzählen zu müssen, daß Papa so viele Dinge nur deshalb tat, weil er sich seiner früheren Sünden schämte, und in Mamas Leben würde es keinen einzigen Augenblick geben, in dem sie bereit sein würde, sich diese Geschichte anzuhören.
Also blickte Peggy Mama nur an und antwortete so, wie sie auch anderen Leuten zu antworten pflegte, die zu tief in Dingen herumstocherten, die sie in Wirklichkeit gar nicht wissen wollten. »Das muß er dir schon selbst beantworten«, sagte Peggy. »Du brauchst nur zu wissen, daß die Entscheidung, die du in deinem Herzen bereits gefällt hast, gut und richtig ist. Schon die bloße Entscheidung hat dein Leben verändert.«
»Aber ich habe mich doch noch gar nicht entschieden«, widersprach Mama.
In Mamas Herz war kein anderer Weg mehr frei: Sie würde die Berrys dazu bringen, zu behaupten, daß es ihr Junge sei, den sie aufziehen solle.
»Doch, das hast du«, sagte Peggy. »Und du bist froh darüber.«
Mama machte kehrt und ging, wobei sie die Tür sanft hinter sich schloß, um den Wanderprediger nicht zu wecken, der im Zimmer über der
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