Der magische Pflug
auch nur daran zu denken, wie er sich über diesen Jungen beschwert hatte, und wie er dafür gesorgt hatte, daß er eine Ohrfeige bekam. Und das alles wegen nichts. Nur weil Hank Dowsers Stolz ein wenig angekratzt worden war. Jesus hatte sich auspeitschen lassen, und man hatte ihm eine Dornenkrone aufgesetzt, und er hatte alles schweigend ertragen; aber er, Hank Dowser, ertrug es nicht mal, wenn ein Lehrling nur ein paar törichte Worte sagte. Oh, solche Gedanken versetzten Hank Dowser in eine düstere Stimmung, und er sehnte sich schmerzlich danach, sich bei dem Jungen entschuldigen zu können.
Aber der Junge war leider nicht da. Wirklich schade. Doch Hank bekam nicht viel Zeit, lange darüber nachzubrüten. Gertie Smith führte Hank ins Haus und hätte ihm das Essen fast mit einem Rammstab in den Hals geschoben, nur um noch einen weiteren halben Leib Brot hineinstopfen zu können – so fühlte es sich jedenfalls an. »Ich kann ja kaum noch gehen«, sagte Hank der Wahrheit entsprechend. Andererseits kochte Gertie Smith genausogut, wie ihr Mann schmiedete, und wie dieser Lehrjunge Pferde beschlug, und wie Hank mutete, also mit einem echten Talent. Jeder besaß ein Talent, jeder hatte eine Gabe Gottes, und alle teilten ihre Gaben miteinander. So war das auf der Welt, und so war es auch am besten.
Und dann trank Hank voller Freude und Stolz das Wasser aus dem ersten reinen Eimer vom Brunnen. Oh, es war prächtiges Wasser, süßes Wasser, und er genoß es, wie sie ihm aus vollem Herzen dankten. Erst als er wieder draußen war und seine Picklewing bestieg, merkte er, daß er den Brunnen noch gar nicht gesehen hatte. Eigentlich hätte er den Brunnen doch sehen müssen …
Er ritt um die Schmiede und sah an der Stelle nach, wo er glaubte, gemutet zu haben. Aber der Boden sah aus, als sei er schon seit hundert Jahren nicht mehr berührt worden. Nicht einmal der Graben war zu sehen, den der Lehrjunge ausgehoben hatte, als er, Hank, dabeistand. Er brauchte eine Minute, um den Brunnen zu finden; dieser befand sich etwa auf halber Strecke zwischen Schmiede und Haus. Über der Winde war ein gediegenes kleines Dach, alles aus glattem Gestein gefertigt. Aber er war doch mit Sicherheit nicht so nahe am Haus gewesen, als seine Rute ausgeschlagen hatte …
»Ach, Hank«, rief Makepeace Smith. »Hank, ich bin froh, daß Ihr noch nicht fort seid!«
Wo war denn der Mann? Oh, dort, auf der Weide direkt oberhalb der Schmiede, dort, wo Hank zuerst nach dem Brunnen gesucht hatte. Er wedelte mit einem Stab – mit einem gegabelten Stab …
»Euer Stab, mit dem Ihr diesen Brunnen gemutet habt – wollt Ihr ihn zurückhaben?«
»Nein, Makepeace, nein, danke. Ich benutze nie zweimal dieselbe Rute. Es funktioniert nicht so gut, wenn sie nicht frisch ist.«
Makepeace Smith warf die Rute über seinen Kopf nach hinten, ging den Abhang hinab und blieb genau an der Stelle stehen, wo Hank glaubte, den Brunnen gemutet zu haben. »Was haltet Ihr von dem Brunnenhaus, was wir gebaut haben?«
Hank blickte zum Brunnen zurück. »Ausgezeichnete Steinmetzarbeit. Wenn Ihr die Schmiede jemals aufgeben solltet, könntet Ihr bestimmt auch als Steinmetz Euren Lebensunterhalt verdienen, darauf möchte ich wetten.«
»Danke, Hank! Aber das hat alles mein Lehrjunge gemacht.«
»Dann habt Ihr einen wirklich ausgezeichneten Lehrjungen«, meinte Hank. Doch die Worte hinterließen einen schalen Geschmack im Mund. Irgend etwas an diesem Gespräch beunruhigte ihn. Makepeace Smith führte etwas Heimtückisches im Schilde, und Hank wußte nicht so recht, was es sein konnte. Egal. Es war Zeit, daß er fortritt. »Lebt wohl, Makepeace!« rief er und führte seinen Klepper wieder zur Straße zurück. »Vergeßt nicht, ich komme wieder – wegen der Hufeisen!«
Makepeace lachte und winkte. »Wird mir eine Freude sein, Euer häßliches altes Gesicht mal wiederzusehen!«
Dann lenkte Hank die alte Picklewing forsch auf den Weg, der zu der überdachten Flußbrücke führte. Das war eine der schönsten Sachen an dem Weg, der von Hatrack nach Westen führte: Von hier bis zum Wobbish war er so unbeschwerlich, wie man es sich nur wünschen konnte; über jeden Fluß, über jeden Bach, ja über jedes Rinnsal führte eine gutbedachte Brücke. Man hatte schon von Leuten gehört, die nachts auf den Brücken lagerten, so stabil und trocken waren sie.
Im Gebälk der Hatrack-Brücke mußten mindestens drei Dutzend Kardinalvogelnester sein. Die Vögel machten einen solchen Lärm,
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