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Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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einer anderen Seele mit dem heimlichen Hunger nach dem Bösen zurückkehren; Seelen, die den Entmacher als willkommenen Lehrer empfangen würden. Doch das war nicht die eigentliche Gefahr, nicht die unmittelbare Gefahr, das wußte Peggy.
    Denn solange Alvin keine Vorstellung davon hatte, wie er ein Macher werden oder was er mit seiner Macht tun sollte, spielte es keine Rolle, wie lange sie den Entmacher in Schach hielten. Die Kristallstadt würde nie gebaut werden. Aber sie mußte erbaut werden, sonst war Alvins Leben – und Peggys Leben, das sie der Aufgabe verschrieben hatte, ihm zu helfen – umsonst.
    Plötzlich erschien Peggy alles so klar. Alvins Arbeit bestand darin, sich darauf vorzubereiten, seine eigenen menschlichen Schwächen zu meistern. Wenn es irgendwo auf der Welt irgendein Wissen über die Kunst des Machens oder ihre Wissenschaft gab, würde Alvin jedenfalls jede Chance bekommen, um sie zu lernen. Die Schmiede war seine Schule, die Esse war sein Meister, sie lehrte ihn – ja, was? –, andere Menschen nur durch Überzeugung und große Geduld, durch Sanftheit und Bescheidenheit, durch ungeheuchelte Liebe und Güte zu verändern. Also mußte sich jemand anders dieses reine Wissen aneignen, das Alvin zur Größe erheben würde.
    Meine Lehrzeit in Dekane ist zu Ende.
    So viele Lektionen, und ich habe sie alle gelernt, Mistress Modesty. So sehr, daß ich eigentlich bereit wäre, den Titel zu tragen, für den Ihr mich am besten geschult habt, den jede Dame nur erstreben kann.
    Gutefrau.
    So wie ihre Mutter all diese Jahre Goody Guester genannt worden war, und wie man andere Frauen die gute Dies oder die gute Das zu nennen pflegte, so konnte jede Frau diesen Namen tragen. Aber nur wenige verdienten ihn, und es gab noch weniger, die andere dazu begeisterten, sie bei ihrem vollen Namen zu nennen: Gutefrau, nicht einfach nur Goody; so, wie Mistress Modesty niemals Missus genannt wurde. Es hätte ihren Namen geringer gemacht, wäre er von einem verkleinernden, von einem gewöhnlichen Titel berührt worden.
    Peggy schwang sich auf die Bettkante. Einen Augenblick lang drehte sich alles vor ihren Augen; sie wartete, dann stand sie auf. Ihre Füße tappten über den Holzfußboden. Sie ging möglichst leise, wußte aber, daß sie gehört werden würde. Mistress Modesty kam bereits die Treppe herauf.
    Am Spiegel blieb Peggy stehen und sah sich an. Ihr Haar war vom Schlaf zerzaust und strähnig von Schweiß. Ihr Gesicht zeigte rote und weiße Abdrücke von den Falten im Kopfkissenbezug. Und doch erblickte sie dort jenes Gesicht, das Mistress Modesty sie zu sehen gelehrt hatte.
    »Unsere Handarbeit«, sagte Mistress Modesty.
    Peggy drehte sich nicht um. Sie hatte gewußt, daß ihre Mentorin dort sein würde.
    »Eine Frau sollte wissen, daß sie schön ist«, sagte Mistress Modesty. »Bestimmt hat Gott Eva ein Stück Glas gegeben oder flaches, poliertes Silber, oder wenigstens einen stillen Teich, um ihr zu zeigen, was Adam sah.«
    Peggy drehte sich um und küßte Mistress Modesty auf die Wange, »Ich liebe das, was Ihr aus mir gemacht habt«, sagte sie.
    Mistress Modesty erwiderte den Kuß, doch als sie sich voneinander trennten, standen der älteren Frau Tränen in den Augen. »Und nun werde ich Eure Gesellschaft verlieren.«
    Peggy war es nicht gewöhnt, das andere errieten, was sie empfand, vor allem dann nicht, wenn ihr selbst noch gar nicht klar war, daß sie bereits eine Entscheidung getroffen hatte.
    »Werdet Ihr das?« fragte Peggy.
    »Ich habe Euch alles gelehrt, was ich konnte«, erwiderte Mistress Modesty, »aber seit der letzten Nacht weiß ich, daß Ihr Dinge braucht, von denen ich nie geträumt hätte, weil Ihr eine Arbeit zu leisten habt, von der ich nie geglaubt hätte, daß ein Mensch sie leisten kann.«
    »Ich wollte eigentlich nur Alvin Gutmanns Gutefrau sein.«
    »Für mich war das der Anfang und das Ende«, antwortete Mistress Modesty.
    Peggy wählte ihre Worte der Wahrheit gemäß; folglich waren sie schön und dadurch auch gut. »Vielleicht brauchen manche Männer bei einer Frau nur, daß sie liebevoll und weise und vorsichtig ist, daß sie wie ein Feld von Blumen ist, wo der Mann der Schmetterling sein kann, der die Süße aus ihren Blüten saugt.«
    Mistress Modesty lächelte. »Wie gütig Ihr mich doch beschreibt.«
    »Aber Alvin hat eine handfeste Arbeit vor sich, und was er braucht, ist keine schöne Frau, die ihn liebevoll erwartet, wenn er seine Arbeit beendet hat. Was er braucht, das

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