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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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ist vollkommen unverletzt geblieben, nicht die kleinste Schramme! Ein Wunder, wirklich! Deiner Großmutter geht es auch gut, natürlich abgesehen davon, dass das Haus abgebrannt ist . . . Doch die ganze Familie hat in der Buchhandlung Unterschlupf gefunden, du wirst sehen, es ist sogar fast komisch. Grandpa allerdings . . .«
    Sie brach kurz ab, bevor sie zögernd weitersprach:
    »Er stand sehr unter Schock. Dieses gewaltige Feuer, noch dazu mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden, sein Haus in Schutt und Asche ... Er ... er ist noch nicht wieder bei Sinnen.« »Was soll das heißen?«
    »Sagen wir, er ist verwirrt. Die Klinik hat ihn vierundzwanzig Stunden unter Beobachtung behalten, ohne Ergebnis. Die meiste Zeit liegt er niedergeschlagen im Bett und starrt ins Leere. Und wenn er redet, ergibt es keinerlei Sinn.«
    »Besteht wenigstens Hoffnung, dass sich das wieder bessert?«
    »Ach, weißt du, Grandpa war doch eigentlich immer recht zäh. Man muss ihm nur ein paar Tage Zeit geben ...«
    »Und mein Vater?«
    Tante Evelyn wich seinem Blick aus.
    »Es gibt immer wieder Höhen und Tiefen. Ich will dir nichts vormachen. Aber solange noch Leben in ihm ist, nicht wahr . . .«
    Samuel nahm sich fest vor, in Zimmer 313 vorbeizuschauen, sobald man ihn von diesen Elektroden befreit hätte. Und wenn niemand sie ihm abnehmen wollte, würde er es eben selbst erledigen.
    »Es gibt noch etwas, das du wissen solltest«, fuhr Tante Evelyn ernst fort. »In den vergangenen Stunden haben Grandma, Lili und ich über vieles geredet und mir ist klar geworden, wie sehr ich mich in dir getäuscht habe. Ich muss mich bei dir entschuldigen, Samuel. Ich habe mich dir gegenüber nicht immer korrekt verhalten, ich war verblendet und ungerecht. Ich habe alles nur noch mit Rudolfs Augen gesehen, leider! Er hat mich, wie man so sagt, ganz in seinen Bann geschlagen. Wenn ich nur ein kleines bisschen mehr Verstand gehabt hatte, wäre mir all das nicht passiert.«
    Einen Augenblick lang fragte Samuel sich, ob er nicht doch tot und in einer Art Paradies gelandet war, wo die Tante Evelyns beinahe umgänglich wurden. Aber nein, sie waren beide äußerst lebendig und die Reue seiner Tante schien aufrichtig zu sein.
    »Rudolf, genau«, nahm er den Faden auf. »Er steckt hinter dem Brandanschlag, nicht wahr?«
    Evelyn senkte den Kopf.
    »Ich mache mir Vorwürfe, Samuel, du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Vorwürfe ich mir mache! Ich war vollkommen ahnungslos, so ahnungslos! Rudolf war angeblich geschäftlich in Tokio und sollte erst in vier Tagen zurückkommen. Und da taucht er plötzlich auf, in dem Moment, als wir gerade zu Bett gehen wollten. Die Arme voller Geschenke, für jeden hatte er etwas dabei. . . Er, der sonst immer so ruhig war, schien plötzlich ganz kribbelig, beinahe überschwänglich. Wenn ich doch nur geahnt hätte, warum! Während wir die Geschenke auspackten, sollten wir unbedingt ein japanisches Getränk probieren, das er mitgebracht hatte, einen süßen Sirup aus Milch und Früchten, glaube ich.«
    »Mit einem sehr starken Geschmack, um das Schlafmittel zu verdecken, nehme ich an . . .«
    »Genau das hat Lili mir gestern auch gesagt«, bestätigte Evelyn bitter. »Danach fingen alle an zu gähnen und wir sind schnell schlafen gegangen. Danach . . . Danach weiß ich nur noch, dass mein ganzer Körper wie gelähmt war und ich wie ein Stein ins Bett gefallen bin.«
    »Sobald alle fest schliefen, musste Rudolf sich nur noch in aller Ruhe ans Werk machen . . .«
    »Die Feuerwehrleute haben sechs Gasflaschen gefunden«, bestätigte Evelyn. »Dazu die eine, die in der Küche explodiert ist. Zwanzig Minuten später, und wir wären mitsamt dem Haus in die Luft geflogen.«
    »Und kein Faulkner hätte ihm mehr im Weg gestanden«, fasste Sam nachdenklich zusammen. »Ich frage mich trotzdem, warum Rudolf euch unbedingt loswerden wollte . . . Papa und mich, das verstehe ich ja noch, aber euch?«
    »Er hatte zweifellos Angst, dass ich anfangen würde zu reden. Dass ich bestimmte Dinge ausplauderte. Ich habe in den letzten beiden Nächten gründlich nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass er es auf mich abgesehen hatte und dass er den Brand allein mit dem Ziel gelegt hat, mich verschwinden zu lassen. Mich, nur mich allein . . .«
    Ihre angespannten Züge verrieten, wie sehr sie um ihre Fassung rang: Der Mann, den sie geliebt hatte, war gleichzeitig derjenige, der ihre Familie hatte auslöschen wollen.
    »Wenn ich ganz

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