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Der magische Reif

Der magische Reif

Titel: Der magische Reif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prévost
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versucht, ihm nachzulaufen, doch der Gang führte aufwärts und es war stockfinster! Ich bekam Angst, lief ziellos im Kreis und fing an zu weinen . . . Ich war eine Ewigkeit da drin, dachte ständig, dass Ratten zwischen meinen Beinen hindurchliefen, dass sich jeden Augenblick ein Skelett auf mich stürzen würde und dass der dicke böse Stein versuchte, mich zu verschlingen. Ich dachte, ich würde verrückt werden . . .«
    Tante Evelyn war leichenblass, der Blick starr wie unter Hypnose, ihre Hände zitterten.
    »Sag schnell«, bat Sam, um die Spannung zu brechen, »Papa ist zurückgekommen und hat dich geholt, nicht wahr?«
    »Ja, er kam zurück. Doch es war schon zu spät, der Schaden war angerichtet. Seitdem habe ich immer schwache Nerven gehabt. Manchmal genügt schon eine Kleinigkeit, um mich in panische Angst zu versetzen. Ich weiß ja, dass es nur ein Kinderstreich war, dass Allan erst zehn war und es nicht böse meinte ... Trotzdem hat dieses Erlebnis mich traumatisiert.«
    »Und wie . . . wie ist dann Rudolf auf dieses Gebäude gestoßen?« »Rudolf? Dazu, wie zu vielem anderen auch, hat er sich nie wirklich geäußert.. . Ich weiß nur, dass nach dem Verschwinden von Grandmas Eltern 1970 ihre Wohnung verkauft worden ist. Rudolf hat das Haus vor vier oder fünf Jahren gekauft und es komplett umbauen lassen, bevor er dort einzog.«
    »Hast du ihn gefragt, was er mit dem dicken Stein gemacht hat?«
    »Er gab vor, überhaupt nichts von ihm zu wissen, und meinte, die Bauarbeiter hätten ihn wahrscheinlich beim Bau der Tiefgarage zerstört. Ich hatte nur noch eine dunkle Erinnerung, wo er gestanden hatte, und hätte es kaum nachprüfen können.«
    »Dieser verdammte Lügner!«, rief Sam empört. »Natürlich hat er den Stein nicht zerstört! Das ist doch der einzige Grund, warum er solches Interesse an dem Gebäude hatte! Dank des Steins konnte er nach Lust und Laune durch die Zeiten spazieren und Arkeos mit lauter wertvollen Antiquitäten versorgen!«
    »Das hat Lili auch gesagt«, stimmte Evelyn zu. »Und außerdem haben wir im Gespräch mit Grandma noch etwas anderes herausgefunden. Etwas anderes, das dich betrifft . . .«
    Samuel runzelte die Stirn und bemühte sich, ihr zu folgen.
    »Nach eurer Reise nach Pompeji seid ihr beide, du und Lili, in Chicago gelandet, nicht wahr? Auf einer Baustelle, wo sie gerade dabei waren, Häuser abzureißen?«
    »Ah, ja . . . Ein Bulldozer war kurz davor, den Sonnenstein zu verschütten, der uns hergebracht hatte, und wir konnten es nicht verhindern.« »Grandma und Lili haben im Internet alte Stadtpläne gefunden. Grandma ist absolut sicher: Genau an dieser Stelle ist das Gebäude errichtet worden, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat . . .«
    Samuel machte große Augen und das Gerät, das seinen Puls aufzeichnete, schlug beinahe Purzelbäume.
    »Willst du damit sagen, dass wir exakt an der Stelle gelandet sind, wo sie dann Grandmas Haus gebaut haben?«
    Sie nickte heftig.
    »Deshalb habe ich eben gesagt, dass das Schicksal der Faulkners mit diesem verfluchten Klumpen Stein verbunden war.«
    »Unglaublich!«, rief Sam aus. »Wir haben also alle irgendetwas mit dem Stein zu tun! Von Anfang an! Du, Grandma, Papa, Lili, ich . . . sogar Rudolf! Ja natürlich, sogar Rudolf! Als wir auf dieser Baustelle im Chicago von 1932 angekommen waren, parkte in der Nähe ein Wagen mit dem Firmenlogo von Arkeos. Ich habe einen Blick darauf geworfen: Es handelte sich um den Lieferwagen eines Antiquitätengeschäfts. Ein Geschäft, das eben Rudolf gehörte . . . Das heißt, dass er von dem Stein wusste!«
    »Er hat alles eingefädelt«, warf Evelyn ein, »von Anfang an. Im Nachhinein wird das alles klar.«
    »Und ... du hast wirklich nie irgendeinen Verdacht geschöpft?«
    »Rudolf hatte so etwas Geheimnisvolles, das war Teil seines Charmes . . .«
    »Aber du hast doch gesagt, er hätte dich benutzt, oder nicht?«
    »Nun ja . . . Ich bin in der Tat davon überzeugt, dass er mich benutzt hat, um an Allan heranzukommen. Um ihn zu beobachten . . . Details aus seinem Leben zu erfahren, was weiß ich . . . Rudolf hat mir immer eine Menge Fragen über meine Familie gestellt. Er versicherte mir immer wieder, es würde mir helfen, meine Probleme zu bewältigen, ähnlich wie eine Therapie. Seltsamerweise weigerte er sich gleichzeitig strikt, Grandma und Grandpa vorgestellt zu werden. >Später<, sagte er mir immer, >wenn wir uns beide richtig sicher sind.< In Wirklichkeit befürchtete er, Allan

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