Der magische Reif
Hunde ihn laut bellend umkreisten, als hätten sie gegen eine kleine Vorspeise nichts einzuwenden. Er trat ins Wohnzimmer, in dem es wie im ganzen Haus bestialisch stank, und schon nach drei Schritten fiel die Tür hinter ihm zu.
»Das ist er?«, knurrte Martha Calloway.
»Das ist er«, bestätigte Rudolf.
Martha Calloway baute sich vor dem jungen Mann auf und bohrte ihm den Lauf ihres Gewehrs unters Kinn.
»Wie hast du es geschafft, dass meine Babys dich nicht gesehen haben?«
»Ich hatte Glück«, antwortete Sam und versuchte ihrem Blick standzuhalten.
Sie hatte wirklich große Ähnlichkeit mit einem alten Hund, mit ihren Hängebacken und dem Stirnband, unter dem auf jeder Seite ein Büschel Haare herunterhing. Ein rauchender Hund zu allem Überfluss, denn sie hatte einen gelblichen Zigarettenstummel in den Mundwinkel geklemmt, wodurch ihre Aussprache etwas teigig klang.
»Glück, so, so, was du nicht sagst!«, brummte sie und drückte ihm den Gewehrlauf in den Hals.
»Das reicht jetzt«, schaltete Rudolf sich ein und zwang sie, die Waffe zu senken. »Im Augenblick brauch ich ihn noch. Kümmern Sie sich lieber um die da.«
Er zeigte auf Elisa, die, immer noch bewusstlos, ausgestreckt auf einem alten, mottenzerfressenen Sofa lag, einen Knebel über dem Mund, die Hände mit einem zusammengedrehten Geschirrhandtuch gefesselt. Sie wurde von drei Doggen umlagert, die hoch aufgerichtet, mit hängenden Zungen vor ihr saßen und in regelmäßigen Abständen wimmernde Laute ausstießen.
»Die fliegt schon nicht weg!«, bellte Martha Calloway.
»Die Autoschlüssel stecken noch«, fuhr der Tätowierte fort. »Sie wissen, was Sie zu tun haben?«
»Ich bin doch nicht blöd«, fauchte die Alte zurück. »Wenn Sie um Punkt 16.30 Uhr nicht zurück sind, schmeiß ich die hübsche junge Lady mitsamt ihrer Karre von den Doomsday-Hügeln. Aber ich werd noch ne Taxizulage brauchen, mein Herr, und das nicht zu knapp . . .«
»Kein Problem. Und dass sie Ihnen ja nicht abhaut, falls sie bis dahin aufwacht!«
»Der Sohn ist mir vorhin durch die Lappen gegangen. Aber das passiert mir kein zweites Mal, darauf können Sie Gift nehmen! Und wo wir schon dabei sind: Was ist mit den Schlüsseln, die die kleine Rotznase mir geklaut hat? Wann krieg ich die wieder?«
»Später, später«, gab Rudolf gereizt zurück. »Er hat jetzt gerade Wichtigeres zu tun. Komm her, du . . .«
Der Tätowierte stieß Sam auf die Kellertreppe zu. Ein paar Doggen meinten, sie müssten ihn schnüffelnd und nach seinen Hosenbeinen schnappend eskortieren.
»Dalgon!«, donnerte Martha Calloway, dass die Wände wackelten. »Bei Fuß!« Als hätte ihn soeben ein elektrischer Schlag getroffen, machte der größte der Hunde abrupt kehrt und schlich geduckt mit eingeklemmtem Schwanz zurück. Seine drei Artgenossen taten es ihm gleich.
»Sie können ruhig runtergehen, meine Babys werden brav hierbleiben«, erklärte sie mütterlich.
Sam ging mit unsicheren Schritten voran. Glücklicherweise brannte im Keller jetzt Licht. Das Gerumpel war zwar noch dasselbe, aber immerhin lief man bei der Neonbeleuchtung nicht Gefahr, darüber zu stolpern.
»Nach hinten«, schnauzte Rudolf.
Um den Sonnenstein war alles freigeräumt und der weiße Schrank ihm gegenüber stand offen. Anscheinend war es der persönliche Kleiderschrank des Tätowierten: Unter anderem hing dort sein grauer Anzug, ein Stapel »Reisekleidung« lag in einem der Schrankfächer daneben. Auf der Innenseite der Tür war in Schwarz das Zeichen des Hathor aufgemalt.
»Ein wahrer Saustall ist das hier«, bemerkte Rudolf, »aber das hat auch sein Gutes. Inmitten dieser Müllhalde und bei den Kötern war mein kleines Geheimnis bisher gut aufgehoben. Wenigstens bis du hier aufgekreuzt bist . . . So, und jetzt streck mal die Arme nach hinten.«
Samuel gehorchte und der Tätowierte nahm eine Leinenhose und fesselte ihm damit die Handgelenke. Sam stöhnte auf vor Schmerz, nicht weil der Knoten zu fest gezogen war, sondern weil diese Position ihn zwang, sich nach hinten zu biegen, wodurch sich das Ziehen in seinem Bauch verschlimmerte.
»Wenn du deiner Mutter helfen willst, solltest du nicht so wehleidig sein«, lästerte Rudolf. »Verträgst du die Zeitverschiebung nicht? Einerseits kommt mir das sogar entgegen
Er nahm ein kleines schwarzes Kästchen aus dem Schrank und hielt es Sam unter die Nase. Es handelte sich um einen aufklappbaren Reisewecker, das Zifferblatt zeigte 16:16 Uhr an.
»Gut, reden wir
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