Der magische Reiter reiter1
verklangen. Karigan entfuhr ein Riesenseufzer der Erleichterung, und sie schob den Säbel wieder in die Scheide zurück. Sie schwang sich in den nassen Sattel und verzog das Gesicht, als kaltes Regenwasser ihre Hose durchtränkte.
Unschlüssig saß sie da. Wenn sie die Straße nahm, stieß sie womöglich wieder auf jene, die nach ihr suchten. Sie könnte sich durch die Wälder schlagen, in östliche Richtung, doch
bei all dem Unterholz würde sie nur langsam vorankommen. Sie zog die Stirn in Falten. Wenn sie nicht so viele Geografiestunden geschwänzt hätte, wäre ihr jetzt vielleicht eine andere Route eingefallen.
Pferd wieherte jäh auf und tänzelte unter ihr, seine Hufe verursachten schmatzende Geräusche im Morast.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
Der strömende Regen war heftigem Nieseln gewichen. Wie ein Schleier trieb er in Böen davon und enthüllte eine berittene Gestalt, die sich näherte. Die Gestalt ähnelte stark einem von Thursgads Geisterreitern, unscharf und verschwommen in den wogenden Schwaden, aus Nebel geschaffen, so wenig stofflich wie die Luft. Sein großer weißer Hengst verschwand ständig im trüben Dunst und tauchte wieder auf.
Pferd scharrte im Morast und schnaubte, jede Faser im Leib angespannt. Er wollte, dass Karigan ihm die Zügel schießen ließ, damit er fliehen konnte, wie sein Instinkt es ihm riet. Von der Anstrengung, ihn zurückzuhalten, taten ihr die Arme weh. Sie saß wie angewurzelt, fasziniert von dem Fremden. Dann fielen ihr F’ryan Coblebays letzte Worte wieder ein: Hüte dich vor dem Schattenmann …
Als der Reiter näher kam, nahm seine Gestalt festere Form an und wurde deutlicher. Er war kein Gespenst, und sein Auftreten ließ auch nicht darauf schließen, dass er ein Schattenmann war. Er saß aufrecht im Sattel und starrte sie aus einem grünen Auge eindringlich an; das andere war unter einer schwarzen Klappe verborgen. Der Regen prasselte auf seinen kahlen Kopf, doch das schien ihn nicht weiter zu stören. Unter einem schlichten schwarzen Umhang trug er einen scharlachroten Waffenrock mit goldenen Stickereien. Es war die Uniform eines Angehörigen der Provinzmiliz.
Mit einem kaum merklichen Ruck an den Zügeln brachte er den Hengst zum Stillstand. Karigan musterte ihn im Schutz ihrer Kapuze. Wasser tropfte rhythmisch vom Rand auf ihren Arm.
Das Sattelleder des Mannes knarrte, als er sich vorbeugte. Sein Auge blickte sie forschend an. »Meine Männer halten dich anscheinend für eine Art Geisterreiter«, sagte er mit düsterer Stimme, die rau war vom Erteilen unzähliger Befehle. »Wer steckt da unter der Kapuze?«
Karigan war vor Schreck wie gelähmt, so dass sie kein Wort hervorbrachte. Weshalb hatte sie Pferd nicht seinen Willen gelassen, als noch die Möglichkeit zur Flucht bestand? Sie umklammerte wieder die Brosche.
Das grüne Auge des Mannes flackerte. »An deinen Händen kann ich erkennen, dass du aus Fleisch und Blut bist. Ein Grüner ist tot, doch ein anderer führt seine Mission fort. Wenn du nicht wie Coblebay deine fleischliche Hülle abstreifen willst, solltest du mir die Botentasche übergeben, die du bei dir trägst. Und du wirst mir auch sagen, wer Coblebay die Informationen gegeben hat.«
Karigan saß wie erstarrt da und hielt die Zügel mit eisernem Griff; dabei hatte sie das Gefühl, selbst von einer eisernen Hand umklammert zu werden. Pferds Hals war schweißnass, und er rollte mit den Augen. Hätte sie ihn nicht so fest im Zaum gehalten, wäre er davongestoben.
Der kalte Regen durchnässte Karigan bis auf die Haut, und die feuchte Klebrigkeit ließ sie frösteln. Der klatschnasse Mantel zog wie mit Bleigewichten an ihr und machte jede Bewegung zur Qual.
Der Mann wölbte eine Braue, und Karigan stellte sich vor, wie die klaffende Augenhöhle unter der Klappe sich weitete.
»Mein Kriegsherr ist äußerst ungehalten über all das. Jemand hat sein Vertrauen missbraucht, und seine ganzen Pläne werden hinfällig sein, wenn er den Namen des Verräters nicht erfährt.«
Karigan blieb stumm.
»Ich verstehe.« Er zog etwas unter seinem Umhang hervor, was wie eine Schlange aussah. Es war eine aufgerollte Peitsche. »Da du die Informationen nicht freiwillig preisgeben willst, werde ich dich wohl überreden müssen.«
Karigan keuchte auf, und ihr Griff um die Zügel lockerte sich. Was auch immer es gewesen war, das sie zurückgehalten hatte, verlor jetzt seine Gewalt über sie. Die Peitsche entrollte sich, und der Mann knallte damit
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