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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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für Geduldige sozusagen.«
    Der Alte setzte ein schiefes Grinsen auf, das seine tabakgeschädigten Zähne entblößte. »Keine Sorge. Ich werde Ihnen keine halbreligiösen Märchen erzählen. Aber wenn man da oben sitzt, da passiert was mit einem. Man fühlt sich irgendwie unwichtig und mächtig zugleich. Sie entdecken, dass alles, was Ihrer Meinung nach nur da ist, sich in Wirklichkeit ständig verändert. Und Sie müssen mit auf die Reise, ob Sie wollen oder nicht. Hört sich das ärgerlich an?«
    »Geht so.«
    »Na ja. Deswegen komme ich eben ab und zu noch hierher, und gestern Abend eben auch. Aber ein Kanu … Diese Augen haben ja schon so manches gesehen, aber es wäre wohl ein bisschen zu viel verlangt, dass sie so einen kleinen Eimer auf offener See entdecken.« Der Leuchtturmwärter hob ratlos die Hand. »Und Sie dürfen nicht vergessen, die Nacht war so schwarz wie die Gelüste einer ausgehungerten Pastorengattin.« Wieder das schiefe Grinsen, als würde der Alte aus Erfahrung sprechen. »Wollen wir kurz hingehen? Da müssen wir ein Stückchen hier runter.«
    Das erste Stück war moorig, und nachdem Rino ein paarmal ungeschickt aufgetreten war, hatte er schon nasse Beine. Die Klippen lagen wie ineinander verkeilte Riesen oberhalb des Meeresufers. Der Leuchtturmwächter kratzte sich den Kopf durch die zerschlissene Strickmütze, bevor er auf die Klippe kletterte, die am steilsten abfiel. »Treten Sie nicht auf die glitschigen Algen da … Mann, sagen Sie bloß, Sie haben Holzschuhe an?!«
    »Reine Vergesslichkeit.«
    »Ja, das muss man wohl wirklich Vergesslichkeit nennen. Na ja, hier unten ist es schon.«
    Sie gingen über die Steine, bis sie die Felsspalte erreichten, die der Leuchtturmwärter ihm gezeigt hatte. »Hier saß er.« Der Alte atmete schwer. »Auf dem Stein da.«
    Rino sah im ersten Moment nur ein paar kleinere, vom Wasser abgeschliffene Steine, bevor ihm dämmerte, dass der Leuchtturmwärter einen Stein meinte, der unter Wasser lag.
    »Jetzt ist Flut, aber bei Ebbe ist der Stein deutlich über dem Wasser zu sehen. Da lag er also in der Strömung, mit einer Leidensmiene wie unser Heiland. Ich weiß, was es bedeutet, wenn einem die Finger abfrieren, dass man gar nichts mehr spürt, aber so was wie das … wer ist denn bloß so unglaublich grausam?«
    »Das hoffe ich eigentlich rauszufinden.«
    »Tun Sie das. So ein Halunke verdient es nicht, weiter frei rumzulaufen.«
    Sie kletterten ganz hinunter bis zum Sandstrand, wobei sie sorgfältig darauf achteten, das Gewicht immer zum Berg zu verlagern.
    »Der Junge, der mich gerufen hat, war völlig aus dem Häuschen und sagte, da sitzt einer, der unter Wasser festgekettet ist. Gott sei Dank hab ich ihn ernst genommen. Ich hab mir also meine größte Kneifzange geschnappt, mit der kann man Ketten mit einer einzigen Fingerbewegung durchkneifen. Diese Kette war einen knappen Zentimeter dick, und nach ein paarmal Zudrücken hatte ich den Kerl befreit. Aber ich glaube, die Kälte hat etwas mit ihm gemacht. Auf jeden Fall war der im ersten Moment nicht ganz klar im Oberstübchen.«
    Rino zerrte sich die Socken von den Füßen, krempelte die Hose hoch und watete hinaus. Der Kälteschock ließ ihn im ersten Moment nach Luft schnappen. Es fühlte sich an, als würden sich Eiszapfen durch seine Füße bohren.
    »Bisschen kalt, hm?« Sedeniussen rümpfte vergnügt die Nase.
    Rino blieb kurz stehen, bis der pochende Schmerz abnahm, dann umrundete er den Stein. Der Rest der Kette, ungefähr ein halber Meter, lag zusammengerollt auf dem Meeresboden. Aus einem Felsspalt ragte ein Keil heraus, an dem ein Eisenring befestigt war, der wiederum die Kette hielt.
    »Der hat schon gute Arbeit geleistet. Der Keil sitzt da drin wie reingegossen.« Der Alte räusperte sich, und im nächsten Augenblick klatschte ein dicker Speichelbatzen auf die Wasseroberfläche.
    »Der Keil war also vorher noch nicht hier drin?«
    »Wenn der da schon ein paar Wochen drin wäre, würde man das sehen. Salzwasser frisst alles an.«
    »Soll er dann etwa in der gleichen Nacht auch noch den Keil da reingehämmert haben?«
    Der Alte zuckte mit den Schultern. »Viele Nächte kann es jedenfalls nicht her sein.«
    Zwei nächtliche Besuche verdoppelten die Gefahr, entdeckt zu werden. Rino war ganz sicher, dass der Täter den Keil in den Stein gehämmert hatte, während das Opfer mit verbundenen Augen in Todesangst danebensaß. Die Angst war offensichtlich Teil der Bestrafung gewesen.
    »Hat er was

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