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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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betonte sie, dass er nur aus Schüchternheit so wenig sprach, sobald sie zu zweit seien, plapperte er wie ein Wasserfall. Und wenn sie prüfende Blicke spürte, nahm sie ihn bei der Hand, um die Zusammengehörigkeit von Mutter und Kind zu betonen. Doch dann musste sie ihn gut festhalten, denn die kleine Hand versuchte, sich ihr instinktiv zu entziehen.
    Schon wenige Wochen nach seiner Einschulung musste der Junge getrennt unterrichtet werden, und die Schule drückte mehrmals ihre Besorgnis aus. Doch irgendwann im Spätherbst begann er tatsächlich, den Lernstoff in sich aufzunehmen, erst zögernd und unsicher, aber dann war er in Rekordzeit auf einer Höhe mit dem Rest der Klasse. Bald konnten sowohl Lehrer als auch Mitschüler Blickkontakt mit ihm aufnehmen, und die Aufmerksamkeit und Geborgenheit, die er dabei entdeckte, verstärkte noch – wenn das überhaupt möglich war – die Distanz zu seiner Mutter. So kam es, dass er Schule und Zuhause als zwei völlig verschiedene Welten erlebte. Doch erst als er in die Pubertät kam, begriff er, dass er ein ungeliebtes Kind war.
    Er brachte sie an seinem fünfzehnten Geburtstag um. Er war gerade von der Schule nach Hause gekommen, hatte sich an den Tisch gesetzt, wo sie ihm ein Mittagessen hingestellt hatte. Sie selbst hatte schon gegessen. Wie so oft. Er hörte das Radio aus dem Wohnzimmer und wusste, dass sie jetzt in ihrem Ohrensessel saß. Fischklöße und Kartoffeln. Gut genug für ihn. Auf dem Tisch lag ein Päckchen. Keine Karte, kein Geschenkband – sie war eben doch eine schlichte Seele. Er setzte sich und kostete das lauwarme Essen, bevor er das Päckchen aufmachte. Ein Schlips. Immerhin, eine Abwechslung. Er aß noch ein bisschen, dann stand er auf und ging in das Wohnzimmer. Das leise metallische Geräusch ihrer Stricknadeln verriet ihm, dass sie wach war. »Danke für das Geschenk«, sagte er.
    »Bitte schön.« Die Worte kamen wie ein abgenutztes Mantra. Keine Frage, ob ihm das Geschenk gefiel, kein Glückwunsch.
    »Schöner Schlips.«
    Nur das Geräusch der Stricknadeln mit dem Radio im Hintergrund. Er blieb noch kurz an der Tür stehen, als hoffte er, dass es an diesem Tag einmal anders laufen könnte als sonst, dass sie sich zu ihm umdrehen, ihm in die Augen sehen und mit ihm reden würde. Doch sie blieb sitzen, als ließe sich der Autopilot, der sie seit Jahren am Leben hielt, nicht abschalten. Ein leises Summen kam dazu, dieselbe monotone Melodie, die sie immer sang. Dieses Summen war der Gipfel der guten Laune, also gewissermaßen ein gutes Zeichen, aber in diesem Moment stand es für die alles verschlingende Leere, in die sie ihn mitzureißen drohte. Noch immer stand er mit der Krawatte in der Hand auf der Schwelle, aber sie kam gar nicht auf den Gedanken, sich zu ihm umzudrehen. Da wich auf einmal jede Farbe aus ihr, sie wurde zu einer Figur aus der Welt eines Schwarzweißfilms, ebenso wie die Umgebung. Er packte den Schlips mit beiden Händen, wobei er spürte, dass ihm die nässenden Wunden mittlerweile bis auf den Handrücken gekrochen waren. Dann straffte er die Krawatte. Die Stricknadeln klapperten unverdrossen weiter. Er stellte sich hinter sie. Ihr Summen wurde lauter. Die Melodielinie dauerte vielleicht knappe zehn Sekunden und wurde unablässig wiederholt. In seinem Kopf wurden die Geräusche immer lauter, wie in einem sich selbst verstärkenden Echo. Er wickelte sich die Schlipsenden jeweils einmal um die Hand und zog an. Das Gesumme war inzwischen zu lautstarkem Wahnsinn angeschwollen.
    »Danke für das Geschenk.«
    Keine Reaktion. Nur eine unmerkliche Bewegung ihres Kopfes, als sie im Takt mit den rhythmisch zuckenden Stricknadeln nickte. Er sah bloß Haar – graues, welkes Haar.
    »Danke für das Geschenk«, wiederholte er. Summen. Das Geräusch von Stricknadel auf Stricknadel. Da hob er den Schlips über ihren Kopf, legte ihn ihr um den Hals und zog zu. Erst erstarrte sie, dann hob sie die Hände, die die Stricknadeln immer noch festhielten. Kein Laut, keine spastischen Bewegungen. Nur eine halbe Minute, dann sackte sie leise unter seinen Händen weg. Sie starb, wie sie gelebt hatte. Uninteressiert.
    Er begrub sie im Garten, wo das Unkraut schon längst überhandgenommen hatte. Einen Tag später meldete er sie als vermisst. Nach einer Woche fand man eine Strickjacke von ihr im Watt, und man kam rasch zu dem Schluss, dass sie auf den Klippen ausgerutscht und von der Strömung fortgerissen worden war. Als er fünfzehn Jahre und eine

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