Der Makedonier
Freust du dich?«
»Ich… ich… ich weiß nicht – ja, natürlich freue ich mich. Bist du dir wirklich ganz sicher?«
Behutsam legte Philipp seine Hand auf ihren nackten Bauch.
»Du wirst noch keine Veränderung feststellen, und ja, ich bin ganz sicher.« Sie führte seine Hand zu ihren Brüsten. »Es sind noch einige Monate bis zur Geburt, und in dieser Zeit werde ich nicht zerbrechen.«
Kaum einen Monat nach dem Beginn von Perdikkas’ Feldzug zur Befreiung von Pydna und Methone war er bereitsgescheitert. Der Schnee des letzten Wintersturms hatte noch frisch auf der Erde gelegen, als er seine Armee auf der Straße entlang der Westküste des Thermäischen Golfs nach Süden geführt hatte, und bei Frühlingsanfang saß er bereits in einem Zelt dem Athener General Kallisthenes gegenüber und ließ sich die Friedensbedingungen diktieren.
Es blieb ihm nicht einmal der Trost einer ruhmreichen, weil dramatischen Niederlage, denn es hatte nur zwei Gefechte gegeben, und bei beiden hatten die Makedonier nur die Wahl zwischen einem hastigen Rückzug und der totalen Vernichtung. Die Athener hatten ihre Garnisonen mit atemberaubender Geschwindigkeit verstärkt, mit dem Ergebnis, daß Perdikkas’ ziemlich erbärmlicher Angriff wie an einer Mauer zerschellte.
Für Kallisthenes schienen diese Verhandlungen eher etwas Belustigendes zu haben. Wie jemand, der ein Kind auf die Hand schlägt, weil es Äpfel gestohlen hat, bot er Perdikkas erstaunlich moderate Bedingungen an. Er verlangte eine Entschädigung von einhunderttausend Silberdrachmen, Lösegeld für alle Makedonier, die er als Kriegsgefangene hielt, und eine Wiederherstellung des Bündnisses. Wenn man sich überlegte, daß zwischen seinen Soldaten und Pella keine erwähnenswerte Streitmacht stand, war das eine überraschend großzügige Geste. Als Mensch achtete er sehr darauf, die Gefühle des jungen Königs nicht zu verletzen, ja, er tröstete ihn sogar – so vollkommen war sein Triumph.
»Der Krieg ist ein strenger Lehrer, aber irgendwann lernt jeder Feldherr, die Grenzen des Möglichen zu erkennen«, sagte er und bot seinem früheren Feind eine Schale mit Wein an. »Als junger Mann habe auch ich entsetzliche Fehler gemacht, einige so schlimm wie deiner, aber glücklicherweise war ich damals noch ein untergeordneter Offizier. Es ist grausam, wenn man schon in sojungen Jahren die ganze Verantwortung aufgebürdet bekommt.«
Für Perdikkas waren diese Worte noch schlimmer als der Tod. Das Schlimmste erwartete ihn jedoch bei der Rückgabe der Gefangenen.
Als Philipp erfuhr, daß auch einige seiner elimiotischen Reiter in Gefangenschaft geraten waren, fragte er unverzüglich in einem Brief nach der Höhe des Lösegelds, das für sie verlangt wurde, und als er von seinem Bruder Antwort erhalten hatte, schickte er eine militärische Eskorte mit dem Betrag los. Kaum einen Monat nach seiner Kapitulation vor Kallisthenes hatte Perdikkas das Silber in Händen.
Seine eigene Schatztruhe war nahezu leer, und es würde ihm sehr schwerfallen, die übrigen Athener Forderungen zu erfüllen. Er spielte kurz mit dem Gedanken, mit Philipps Silber seine eigenen Soldaten freizukaufen und die Elimioten ihrem Schicksal als Sklaven in den Steinbrüchen zu überlassen, aber am Ende brachte er den Mut dazu nicht auf. Er wußte, daß Philipp ihm einen solchen Verrat nie verzeihen würde, und im Augenblick brauchte er die Treue seines jüngeren Bruders mehr denn je. Es kränkte ihn fast so sehr wie die Niederlage selbst, aber auf Philipp konnte er auf keinen Fall verzichten.
Und so war Perdikkas gezwungen, die Rückkehr der elimiotischen Reiter aus der Gefangenschaft über sich ergehen zu lassen; zu ihnen gehörte auch ihr Befehlshaber Lachios.
Es war ein Wunder, daß der Mann überhaupt noch am Leben war – für Perdikkas jedoch alles andere als ein Segen. Ein Speer hatte seinen Oberschenkel durchbohrt und das Pferd, auf dem er saß, getötet. Daß er nicht verblutet war, verdankte er nur der schnellen Niederlage der Makedonier, denn so wurde er gefangengenommen und in die Obhut der Athener Ärzte übergeben, kaum daß erden Boden berührt hatte. Fünfundzwanzig Tage später mußte er auf einer Trage über die Waffenstillstandslinie gebracht werden.
Als Lachios in Pella eintraf, wurden ihm Gemächer im königlichen Palast angeboten, doch er lehnte ab und bezog ein leerstehendes Haus am Hafen, wo seine eigene Dienerschaft sich um ihn kümmerte. Eine Sklavin, die seit Jahren schon
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