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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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dich, darüber zu sprechen?« *
    »Nicht mehr, als daran zu denken«, erwiderte Glaukon kopfschüttelnd, »und wie kann ich heute nacht nicht daran denken? Alles ging gut, aber das Kind kam mit der Nabelschnur um den Hals auf die Welt. Sie hat ihn erstickt.«
    »Hat Alkmene sehr gelitten?«
    »Nur im Herzen – und nur, bis du zu uns gekommen bist. Ich glaube, wenn du nicht gewesen wärst, wäre sie unserem Sohn auf den Scheiterhaufen gefolgt.«
    »Du erfüllst mein Herz mit Freude«, sagte Philipp.
    »Es ist besser, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Ich habe nie an den Tod gedacht, und deshalb war meine Bestürzung um so größer. Wenn alles gutgeht, wirst du eines Tages mit einem Lächeln an diese Unterhaltung zurückdenken.«
    Fünf Stunden warteten sie und horchten dabei hin und wieder durch die geöffnete Tür seines Arbeitszimmers auf das Getrappel von Füßen, die durch den Vorraum des königlichen Schlafzimmers huschten. Philipp versuchte, den Fortgang der Ereignisse am Klang der Schritte der Dienerinnen abzulesen, versuchte herauszufinden, ob ihreGeschwindigkeit etwas über die Dringlichkeit verrieten und wußte gleichzeitig, daß das töricht war.
    Am meisten bedrückte ihn seine Hilflosigkeit, das Gefühl, sein Leben den Launen des Zufalls ausgeliefert zu haben. Er war von Natur aus ein tätiger, zielstrebiger Mensch und hatte sich immer als Herr seines Schicksals gesehen, doch jetzt mußte er seine Bedeutungslosigkeit hinnehmen. Ob Phila und ihr Kind lebten oder starben hatte nichts mit ihm zu tun. Er konnte ihnen nicht helfen.
    Schließlich drang der gemessene Schritt eines Mannes an sein Ohr. Die Tür zum Arbeitszimmer ging ein Stückchen weit auf, und Philipp sah, daß der Arzt ihm zuwinkte. Er mußte nur den Gesichtsausdruck des Mannes sehen, um alles zu wissen.
    »Das Kind ist tot«, murmelte Machaon. »Ich glaube, er ist schon vor einigen Stunden gestorben, aber mit Bestimmtheit kann ich es nicht sagen.«
    »Dann war es also ein Sohn?«
    »Ja.« Ein Ausdruck echter Angst huschte über das Gesicht des kleinen Zyprioten. »Es tut mir leid, Herr. Alles, was die Heilkunst tun kann, wurde getan, aber es war nicht genug.«
    »Weiß meine Frau es?«
    Langsam und bedächtig schüttelte Machaon den Kopf. »Es ist an dir, es ihr zu sagen, wenn du es für richtig hältst. Sie hat entsetzliche Blutungen, und sie lassen noch immer nicht nach. Länger als ein oder zwei Stunden wird sie es wohl nicht mehr aushalten.«
    »Sie stirbt?«
    »Ja. Sie stirbt. Es gibt keine Hoffnung mehr. Wenn du mit ihr reden willst, gehst du besser gleich.«
    Philipp mußte seinen ganzen Willen aufbieten, um die wenigen Schritte in das Schlafzimmer gehen zu können, in dem seine Frau auf dem blutverschmierten Bett lag, ihr wunderschönes Gesicht ausgezehrt und kalkweiß. IhreAugen waren geschlossen, so daß sie aussah, als wäre sie bereits tot – dies wäre beinahe eine Erleichterung gewesen.
    Er kniete sich neben sie und zwang sich zu einer kalten, leidenschaftslosen Ruhe, denn er wußte, wenn er jetzt vor ihr versagte, wäre das eine Sünde, die er nie mehr wiedergutmachen konnte. Er nahm ihre Hand, und einen Augenblick später öffnete sie die Augen.
    »Wir haben einen Sohn«, sagte er leise, als hätte er Angst, sie zu erschrecken. Nach diesen Worten spürte er den sanften Druck ihrer Hand in der seinen.
    »Laß mich ihn sehen.«
    Philipp schüttelte den Kopf. »Er ist bei der Amme. Wenn du dich ein wenig erholt hast, wird man ihn dir bringen.«
    »Aber er lebt? Hast du ihn gesehen?«
    »Natürlich lebt er«, antwortete Philipp in einem Tonfall, als hielte er die Frage für unangebracht. »Und so wie er schreit, wird er einen guten König abgeben.«
    »Dann kann ich beruhigt sterben.«
    Mit erschöpfter Ergebenheit schloß sie nun wieder die Augen und sah nun wirklich aus, als könnte sie friedlich aus dem Leben gehen.
    »Du wirst nicht sterben.« Philipp spürte die Tränen in seinen Augen brennen, aber seine Stimme blieb ruhig und gefaßt. »Du hast viel durchgemacht, aber jetzt ist es vorbei und du…«
    Plötzlich erkannte er, daß sie ihn nicht mehr hören konnte. Sie schlief, und er blieb bei ihr, bis sie in den Schlaf versunken war, aus dem es kein Erwachen mehr gibt.
     
    Die Leiche seines Sohnes sah Philipp nie. Er wollte sie nicht sehen, und so wurde der winzige Körper schließlich in Leinen gewickelt neben seine Mutter gelegt, und beide wurden vom läuternden Feuer verzehrt.
    Während es sich für einen König

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