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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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geschwollenen Bauch. Plötzlich hatte er so viel Angst wie noch nie in seinem Leben, mehr noch als in der Schlacht. »Bist du sicher?«
    »Ja, ganz sicher. Hol ihn.«
    Im nächsten Augenblick lief Philipp schon einen Gang des Palasts hinunter, und während er sich abmühte, seine Blöße mit einer Tunika zu bedecken, versuchte er sich daran zu erinnern, welche Richtung er einschlagen mußte. In den letzten Nächten hatte er einem Diener den Befehl gegeben, vor seiner Tür Wache zu halten, aber im entscheidenden Augenblick kauerte der Kerl schlafend auf seinem Hocker; außerdem hatte Philipp ihn weder bemerkt noch überhaupt an ihn gedacht.
    Dem Arzt hatte man ein Zimmer in der Nähe der königlichen Gemächer gegeben. Philipp trat gegen die Tür und schrie, als wollte er den ganzen Palast aufwecken.
    »Machaon! Du da drin, wach auf. Wir brauchen dich jetzt. Wach auf!«
    Die Tür ging auf, und vor ihm stand voll angekleidet der kleine Zypriote. Er sah aus, als wäre er schon seit Stunden wach.
    »Ich habe mir gedacht, daß es heute nacht soweit sein würde«, sagte er gelassen. »Der Wind, weißt du. Frag mich nicht warum, aber…«
    »Das werde ich auch nicht, komm!«
    In der nächsten halben Stunde wartete Philipp im Vorraum seines Schlafzimmers. Ungeduldig ging er in der winzigen Kammer auf und ab, horchte auf das kleinste Geräusch und verfluchte den Wind. Als dann der Arzt heraustrat, um mit ihm zu sprechen, packte er den Mann bei den Schultern, als wollte er ihn durchschütteln.
    »Das ist erst der Anfang, mein König«, sagte Machaon, ohne die Hände, die ihn gepackt hatten, auch nur eines Blickes zu würdigen. »Wir haben noch eine lange Wartezeit vor uns. Ich habe ihr geraten, zu schlafen, aber ich glaube nicht, daß sie es tun wird. Dir rate ich dasselbe. Such dir irgendwo ein Bett und leg dich hin. Es kann noch viele Stunden dauern, bis dein Kind geboren wird, und, mit Verlaub, mein König, hier bist du dann nur im Weg.«
    Es war ein ausgezeichneter Rat. Philipp wußte, daß esein ausgezeichneter Rat war, er ging deshalb in sein Arbeitszimmer, wo er eine Schlafdecke aufbewahrte, und breitete sie auf einer Liege aus. Eine halbe Stunde lag er stocksteif da, unfähig, die Augen zu schließen. Er fragte sich, ob Machaon je Kinder gezeugt hatte.
    Es war eine Erleichterung, als es an der Tür klopfte und der alte Glaukon den Kopf ins Zimmer streckte.
    »Ich habe gehört, ihre Wehen haben eingesetzt«, sagte er, und seine Augen glitzerten wie Glassplitter. In diesem Augenblick erinnerte sich Philipp daran, daß Glaukon und Alkmene ihr einziges Kind bei der Geburt verloren hatten. Er fragte sich, ob diese Erinnerung der Grund für den feuchten Glanz in den Augen des alten Mannes war. »Ich habe mir gedacht…«
    »Komm herein. Bleib bei mir.« Philipp streckte die Hand aus. »Ich bin heute nacht voller Angst.«
    Über zwei Stunden lang saßen die beiden Männer auf der Liege und sprachen kein Wort. Es war ein Trost für sie beide.
    »Vielleicht solltest du nachsehen, wie es steht«, sagte Glaukon schließlich.
    »Vielleicht sollte ich das.«
    Philipp stand auf und ging bis zur Tür seines Schlafzimmers. Dort stand er dann horchend und wagte nicht, zu klopfen, bis eine Dienerin mit einem Becken blutroten Wassers herauskam und beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre. Sie schloß die Tür sofort wieder und lief davon, aber Philipp hatte dennoch einen Blick auf seine Frau erhäschen können, die mit wachsweißem, schweißfeuchtem Gesicht in ihrem Bett lag.
    Einen Augenblick später trat der Arzt vor die Tür. Die Ärmel seiner Tunika waren bis zu den Achseln hochgekrempelt, und er machte ein besorgtes Gesicht.
    »Die Geburt läßt sich nur langsam an«, sagte er und hob das Kinn, als wollte er Philipp die Spitze seines Bartes in die Brust stoßen. »Die Wehen sind zwar heftig, heftiger als ich es zu einem so frühen Zeitpunkt erwartet hätte, aber das Kind bewegt sich nicht. Außerdem verliert sie sehr viel Blut. Ich befürchte das Schlimmste.«
    »Kann man denn nichts tun?«
    »Nichts, Herr. Ein Arzt kann den Gang des Unausweichlichen nur lindern, alles andere liegt in den Händen der Götter.«
    »Ich bin gleich nebenan. Ruf mich, wenn irgend etwas…
    »Ja, Herr, wenn eine Veränderung eintritt.«
    Philipp kehrte in sein Arbeitszimmer zurück und berichtete Glaukon, was er Unerfreuliches erfahren hatte.
    »Was ist mit Alkmenes Kind passiert?« fragte er und legte dem alten Mann die Hand aufs Knie. »Oder schmerzt es

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