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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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hörte mit offensichtlichem Vergnügen einem zotigen Lied über einen Esel und eine Seemannstochter zu. Er war wieder ganz der alte, der Philipp, den Korous sein ganzes Leben lang gekannt hatte.
    Doch dann, etwa eine halbe Stunde vor Mittag wurde Alastor plötzlich nervös, er wieherte und schüttelte den Kopf. Philipp zog die Zügel an und hob die Hand, doch weniger, um die Männer anhalten zu lassen, sondern um Ruhe zu gebieten.
    »Was ist los?« fragte Korous.
    »Ich weiß es nicht, ich…«
    Philipp drehte seinen prächtigen Hengst in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er legte die Hand auf den schwarzen Hals und beugte sich vor.
    »Du spürst etwas, nicht?« flüsterte er knapp vor dem Ohr des Pferdes. »Weißt du schon, was es sein könnte?«
    Aber da war nichts. Philipp starrte einen leeren Horizont an.
    Doch dann war da plötzlich etwas, kaum mehr als ein winziger Fleck in der Entfernung, wie ein Sandkorn, das lautlos auf sie zugeweht wurde.
    »Es ist ein Mann auf einem Pferd.« Die Augen beinahe ganz zusammengekniffen, hielt Korous mit der angestrengten Wachsamkeit eines Jagdhunds Ausschau. »Nur ein Mann, nicht mehr. Er reitet sehr schnell.«
    »Dann werden wir anhalten und warten, bis er uns eingeholt hat – und wenn nur aus Mitleid mit seinem Pferd.«
    Das Warten fiel Philipps Männern schwerer als ihm selbst, denn sie befürchteten natürlich das Schlimmste. Einige von ihnen sprangen von ihren Pferden und knieten sich auf die Erde, um die Sehnen ihrer Bogen nachzuspannen.
    »Ein einzelner Mann kämpft nicht gegen hundert«, sagte Philipp. »Was er auch von uns will, er hat keine böse Absicht. Daß mir also keiner etwas Törichtes tut.«
    Lange bevor sie den Hufschlag des Pferdes hören konnten, sahen sie, daß der Mann thrakische Kleidung trug. Der Wind blies in ihre Richtung, und als er dann in Rufweite war, schmeckten sie seinen Staub.
    In etwa fünfundsiebzig oder achtzig Schritt Entfernung zog er die Zügel an und blieb abrupt stehen. Einen Augenblick lang musterte er die Reihe der Männer, die ihn erwartete, als wollte er sichergehen, daß er keinen Fehler machte. Dann zog er etwas aus einem Lederbeutel an seinem Gürtel – etwas, das ungefähr die Größe und die Form einer Melone hatte –, und warf es verächtlich zu Boden. Sekunden später hatte er sein Pferd bereits gewendet und galoppierte in die Richtung davon, aus der er gekommen war.
    Philipp wartete, bis der Mann ein gutes Stück entfernt war.
    »Wollen mal sehen, weswegen Berisades einen solchen Aufwand getrieben hat«, sagte er schließlich.
    Es war der Kopf eines Mannes, zwar schlimm zugerichtet, aber immer noch erkennbar. Die Lippen waren aufgeplatzt und gräßlich geschwollen, ein Auge fehlte. Die meisten Verletzungen, aber nicht alle, waren ihm augenscheinlich vor dem Tod zugefügt worden.
    Als Philipp den Kopf das letzte Mal gesehen hatte, hatte er noch auf den Schultern seines Vetters Pausanias geruht.
    Er stieg ab, zog seinen Umhang aus und wickelte den Kopf darin ein.
    »Ich will, daß er geläutert und begraben wird. Eine Goldmünze in den Mund, das ganze Ritual.« Als er hochsah, war sein Gesicht wie versteinert.
    »Warum?« fragte Korous, als er das Bündel entgegennahm.
    »Sie haben ihn getötet, weil das ein Teil dessen war, was ich mit meinen einhundertfünfzig Goldtalenten erkauft habe. Nur die Götter wissen, warum sie es auf so grausame Art getan haben. Vielleicht als Warnung – oder vielleicht als Rache dafür, daß sie gezwungen waren, ihn zu verraten. Braucht ein Mann wie Berisades einen Grund?«
    Philipp schüttelte den Kopf, wie um sich einer liebgewonnenen, aber falschen Vorstellung zu entledigen.
    »Aber ich bin nicht besser als er, denn dieses Blut klebt mehr an meinen Händen denn an seinen. Wir sind uns gleich. Wir sind, was ein Mann wird, wenn andere ihn als König sehen wollen.«

36
     
     
    KURZ VOR SEINEM neunzigsten Geburtstag mußte sich Bardylis, der König der Dardaner, eingestehen, daß sein Leben sich dem Ende zuneigte. Es hatte lange gedauert, aber jetzt, da er mit jedem Tag schwächer wurde, spürte er das Näherrücken seiner letzten Stunde, so wie man im Wind das Nahen des Winters spürt. Er schätzte, daß ihm höchstens noch zwei Jahre blieben.
    Deshalb blieb ihm keine andere Wahl, als immer mehr von der Bürde der Macht an seinen Enkel Pleuratos abzugeben. Das bereitete ihm noch mehr Kummer als der näherrückende Tod, denn er haßte und fürchtete Pleuratos. Nicht wegen sich

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