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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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besäße halb so viel Verstand wie seine Tochter.
    »Man merkt, daß du sehr hohe Maßstäbe für Größe ansetzt«, sagte er schließlich. »Ich frage mich, ob irgendein Sterblicher ihnen genügen kann.«
    »Bis jetzt konnten ihnen nur zwei genügen.«
    Sie wandte sich verlegen ein wenig ab von ihm und schenkte ihm dann von der Seite eins ihrer scheuen, hintergründigen, katzenhaften Lächeln. Sie spielte mit seiner Eitelkeit und seiner Zuneigung zu ihr – das wußte er ganz genau, und er wußte auch, daß sie wußte, daß er es wußte. Doch das änderte nichts, denn das Lächeln hatte die gewünschte Wirkung.
    »Du bist der erste, Urgroßvater, und in der ganzen Welt gibt es nur einen einzigen, der dir ebenbürtig ist.«
    »Und ich vermute, daß Lyppeios von Paionien es nicht ist.«
    »Nein. Es ist ein Mann deines Samens. Er kam einmal als Gefangener zu uns. Ich habe ihn nie vergessen.«
    Bardylis, dem König der Dardaner, wurde das Herz schwer, als er das hörte, so als müßte er mitten in einer Schlacht erkennen, daß der Feind zu stark für ihn ist. Dachte denn nicht auch er ständig an Philipp von Makedonien?
    »Er war doch damals kaum mehr als ein Junge«, sagte er und bemerkte erst nachträglich, daß es ihm nicht nötig erschienen war, den Namen auszusprechen. Das war eine sehr erniedrigende Erkenntnis, und er ließ sich von ihr zur Rache verleiten. »Wie es aussieht, hat er dich vergessen, denn er hat bereits eine Frau geheiratet und zu Grabe getragen.«
    Als er die Veränderung in ihrem Gesicht sah, bedauerte er seine Grausamkeit sofort, denn Audata hatte die Fähigkeit, ihn fühlen zu lassen, was sie fühlte.
    »Außerdem liebe ich dich zu sehr, um dich ihm zu geben«, fuhr er schnell fort. »Wahrscheinlich ist er vor dem Winter bereits tot. Du bist noch zu jung, um schon Witwe zu sein, und außerdem wird kein König von Makedonien je groß sein.«
    »Er ist bereits groß«, erwiderte sie mit beunruhigender Ernsthaftigkeit. »Er trägt die Größe in sich. Er hätte sie, auch wenn er nur dein Stallmeister wäre.«
    »Aber es ist unwahrscheinlich, daß er je viel Gelegenheit haben wird, sie zu zeigen.«
    Das arme Kind, ein Leben in Elend schien ihr vorherbestimmt zu sein, denn was kann hoffnungsloser sein als die Liebe zu einem dem Untergang geweihten Mann? Mit Sicherheit war sie dazu verdammt, viele Tränen zu vergießen.
    Aber vielleicht nicht sofort. Noch machte es Bardylis Vergnügen, die verrückten Pläne seines Enkels zu durchkreuzen, und deshalb war der Tag, an dem der junge König von Makedonien vernichtet würde, noch nicht gekommen. Aber kommen mußte er. Und dann, wenn Audatas Traum zerstört und sie gezwungen war, sich mit dem gewöhnlichen Ruhm eines Lyppeios von Paionien abzufinden, dann würde sie die ganze Bitterkeit ihres Kummers schmecken. Das genügte, um einen alten Mann gerne aus dem Leben treten zu lassen.

37
     
     
    EIGENTLICH HATTE ARRHIDAIOS sich nie richtig an das Leben im Exil gewöhnt. Athen war eine unterhaltsame und angenehme Stadt, und gewisse Freunde mit Handelsinteressen im Norden hatten ihn mit Mitteln versehen, die seiner Stellung und seinem möglichen zukünftigen Nutzen entsprachen, aber richtig wohl fühlte er sich dort nicht. Dabei empfand er nicht einmal Heimweh. Es waren nicht Makedonien oder der Kreis seiner Freunde und Verwandten, die er vermißte. Es war etwas anderes, das er in der Nacht nach Alexandros’ Tod aufgegeben hatte, als er geflohen war, weil er wußte, daß Ptolemaios jedem aus dem Haus der Argeaden ans Leben wollte, der eine Bedrohung seiner Macht darstellte. Es war das Gefühl, ernst genommen zu werden. In Athen war er einfach nicht wichtig genug, als daß irgend jemand auf den Gedanken kommen würde, ihn zu töten.
    Er reagierte deshalb sehr zwiespältig auf Philipps Brief.
    Überbracht wurde er eher im Vorübergehen von Aristoteles, der eben von einem Besuch bei seinem Vater in Pella zurückgekehrt war. Die beiden Männer kannten sich seit der Kindheit, aber in Athen sahen sie sich kaum. Aristoteles legte dabei nur eine sehr verständliche Vorsicht an den Tag, verständlich vor allem, wenn man bedachte, daß Arrhidaios von der Versammlung zum Verräter gestempelt worden war, doch verziehen wurde Aristoteles dies nicht, denn Arrhidaios hatte, wie alle im Exil Lebenden, ein langes Gedächtnis für Kränkungen. Als Aristoteles deshalb eines Morgens in dem Haus, das Arrhidaios in der Nähe der Stoa des Zeus gemietet hatte, vorsprach und von

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