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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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begrenzt wurde. Nach Westen und nach Norden schien sich das wehende, staubbedeckte Gras unendlich auszudehnen; für einen Hinterhalt war der Ort deshalb denkbar ungeeignet.
    Die Kerntruppe der Makedonier ritt in drei, jeweils fünf Mann breiten Kolonnen auf den Fluß zu, der noch hinter dem östlichen Horizont versteckt lag. Zwei Patrouillen von je zehn Mann schützten die nördliche und die südliche Flanke, denn niemand wollte auch nur das geringste Risiko eingehen. Als sie in der Entfernung eine Reiterschar entdeckten, blieben sie stehen und stellten sich in einer breiten Reihe auf, um die Thraker nicht über ihre Stärke im unklaren zu lassen. Dann löste sich Philipp mit einerAbordnung von fünfundzwanzig Mann aus der Mitte der Reihe und ritt auf eine genau gleich große thrakische Abteilung zu, die sich nun ebenfalls in Bewegung gesetzt hatte.
    Etwa zweihundert Schritt voneinander entfernt blieben die beiden Gruppen stehen. Philipp zog sein Schwert aus der Scheide, schwenkte es über dem Kopf und ließ es zu Boden fallen. Nun zog eine Gestalt in der Mitte der thrakischen Reihe, vermutlich Berisades selbst, ebenfalls sein Schwert, schwenkte es wie Philipp und ließ es fallen. Das war das Signal für beide Männer, ihre Eskorten zu verlassen und auf die Mitte der leeren Ebene zuzureiten.
    Als dann nur noch etwa zehn Schritt zwischen ihnen lagen, hielten sie beide an, als wäre auch das im Vorfeld vereinbart worden. Einen Augenblick lang war nichts anderes zu hören als das Rascheln des Windes im hohen Gras.
    »Du bist jünger, als ich gedacht habe«, rief Berisades, als hätte er einen Gesprächspartner seines Alters erwartet. Er beugte sich über den Hals seines Pferdes vor, um besser sehen zu können, und entblößte dabei grinsend ein paar abgebrochene Zahnstummel. »Du bist ja fast noch ein Knabe. Da hätten die Makedonier ja gleich Perdikkas’ kleinen Balg wählen können.«
    Das konnte man dem König der Thraker gewiß nicht vorwerfen, denn an dessen Hals zeigten sich bereits einige Fältchen, und er hatte den zynischen, gelangweilten Blick eines Mannes, der lange genug gelebt hat, um sogar seiner eigenen Sünden überdrüssig zu sein. Tatsächlich war er zweiunddreißig Jahre alt und regierte seit acht Jahren, seit dem Tod seines Vaters, dessen Ermordung, wie viele glaubten, er selbst angezettelt hatte.
    »Es war eine knappe Entscheidung, aber am Ende siegte die Überzeugung, daß Makedonien einen Mann braucht, der wenigstens noch alle Zähne hat.«
    Der neue König von Makedonien grinste so höhnisch, dass es fast schon beleidigend wirkte, und sah erfreut, daß Berisades die Zornesröte ins Gesicht stieg. Der Thraker war berüchtigt für seine unbeherrschte Gewalttätigkeit, wegen der ihn sogar seine Verbündeten fürchteten, aber Philipp hatte sich überlegt, daß er sich von diesem Mann, der nicht so aussah, als wäre er je einer plötzlichen Eingebung nicht gefolgt, kein einziges Mal einschüchtern lassen durfte, denn sonst würden die Beleidigungen kein Ende nehmen.
    Schließlich warf Berisades den Kopf zurück und lachte.
    »Man hat mir schon gesagt, daß du eine scharfe Zunge hast. Paß auf, daß du dir damit nicht selbst die Kehle durchschneidest.« Er lachte noch immer, doch seine Augen verengten sich drohend. »Du bist nicht in einer Lage, in der du dir viele Feinde machen kannst.«
    »Ich bin nicht hier, um mir Feinde zu machen«, erwiderte Philipp, doch sein Tonfall ließ erkennen, daß es auf einen mehr oder weniger auch nicht mehr ankäme. »An Feinden habe ich keinen Mangel. Ich bin hier, weil ich dich überreden will, mir Gelegenheit zu geben, mich mit ihnen zu befassen, und zwar mit einem nach dem anderen und auf meine Art.«
    »Und warum bin ich hier?« Berisades ließ es klingen wie eine ernstgemeinte Frage. »Ich muß nur meinen Arm heben, und Philipp von Makedonien braucht nicht mehr die Jahre, sondern nur noch die Minuten seines Lebens zu zählen. Was soll mich denn daran hindern?«
    »Die Tatsache, daß du dir selbst schon ausgerechnet hast, daß ich tot für dich gefährlicher bin als lebendig.«
    Berisades lächelte und gestand damit, soweit er dazu in der Lage war, daß diese Antwort ihn überrascht hatte. Er trieb sein Pferd ein paar Schritt vorwärts, als suchte er in der riesigen Leere, in deren Mitte sie standen, etwas mehr Nähe und Vertraulichkeit.
    »Red nur weiter«, sagte er. »Ich werde mir deine Unverschämtheiten noch ein bißchen länger anhören.«
    »Ist es denn

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