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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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der es übers Herz bringen würde, seinen einzigen Sohn braten zu lassen wie einen Hammelschlegel. Dieses Erlebnis hatte er nie vergessen. Sogar als Erwachsener träumte er noch davon, in diesem schwarzen Loch eingesperrt zu sein und darauf zu warten, daß die Wände heiß wurden. Es hatte ihn gelehrt, seinen Vater zu hassen, über dessen Tod er sich freute, und es hatte ihn gelehrt, wie entsetzlich Hilflosigkeit ist.
    Das war auch der Grund, warum er den König von Makedonien haßte: Er war derjenige, der ihm die Eisentür vor der Nase zuschlug. Eines Tages, das schwor er sich, würde er sich rächen, so wie er sich an seinem Vater gerächt hatte, aber dieser Tag war noch nicht gekommen. Im Augenblick, das wußte er wie damals, konnte er nichts anderes tun, als klein beizugeben.
    »Und was soll mit dem Prinzen Pausanias geschehen?« fragte er. »Schlägst du seinen Tod als Teil unserer Vereinbarung vor?«
    Einen Augenblick sah es so aus, als wäre Philipp in Gedanken versunken, da er seine Umgebung kaum wahrnahm. Doch dann wandte er den Blick wieder dem Königder Thraker zu und lächelte das kälteste Lächeln, das Berisades je gesehen hatte. »Ja«, sagte er. »Das ist Teil der Vereinbarung.«
    Philipps Unterhaltung mit dem thrakischen König hatte kaum mehr als eine Stunde gedauert. Als er danach wieder zu seiner Eskorte zurückkehrte, sah man seinem Gesicht nicht an, ob es Krieg oder Frieden geben würde. Als Korous ihn fragte, schüttelte er nur den Kopf.
    »Was hast du ihm geboten?«
    »Eine Überlebensmöglichkeit«, erwiderte Philipp, »und dazu einhundertfünfzig Talente in Gold.«
    »Einhundertfünfzig?« Korous schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie willst du eine solche Summe denn je bezahlen?«
    »Das ist noch gar nichts. Wenn der König der Paionier das hört, wird er bestimmt zweihundert verlangen.«
    »Und was wirst du tun?«
    »Was ich tun werde?« Einen Augenblick lang schien er nur damit beschäftigt, das Zaumzeug seines Pferdes zu ordnen, doch dann warf er Korous einen Seitenblick zu und grinste. »Ich werde alle Künste eines Königs pflegen. Ich werde lügen, betrügen und nach jedem Vorwand für einen Zahlungsaufschub greifen. Ich habe mich verpflichtet, fünfzehn Talente innerhalb eines Monats zu zahlen und den Rest im Verlauf von zehn Jahren, aber ich habe nicht die geringste Absicht, dieser Verpflichtung auch nachzukommen. Ich glaube, das hat sogar Berisades begriffen.«
    »In einem Jahr wird er eine neue Zahlung erwarten.«
    »Vielleicht bin ich bis dahin tot, und wenn nicht, werden wir ja sehen, ob er die Dreistigkeit hat, auf seiner Forderung zu bestehen, oder ob ich nicht die Kraft habe, mich zu weigern.«
    Philipp verstummte, und Korous drang nicht weiter in ihn, denn er hatte gelernt, das Schweigen seines königlichen Herrn zu respektieren. Was Philipp ihn wissen lassen wollte, sagte er ihm aus eigenem Antrieb, und was der König darüber hinaus dachte, ging niemand etwas an.
    Ihr Lager schlugen sie an derselben Stelle auf wie in der Nacht zuvor, auf einer Klippe am See Kerkinitis. Der Abend war sehr still, und sie konnten das Wasser ans Ufer plätschern hören. Philipp redete über Pferderennen, und das war ein sicheres Zeichen, daß er mit den Gedanken ganz woanders war.
    »Ich würde Alastor gern bei den Pythischen Spielen reiten, aber er ist inzwischen zu alt, er hat zwar noch die Ausdauer dafür, aber ich fürchte, daß er sich bei einem Rennen gegen Zweijährige einen Muskel zerrt. Außerdem könnte er ja auch verlieren, und dann hätte ich seine Würde verletzt. Aber im ersten Jahr, in dem ich ihn hatte, gab es zwischen hier und dem Peloponnes kein Pferd, dem er nicht gewachsen gewesen wäre.«
    Nach einer Weile gab er seine bemühten Gesprächsversuche auf und verfiel in nachdenkliches Schweigen.
    Am nächsten Morgen wachte Korous eine halbe Stunde vor Tagesanbruch auf und sah, daß sein König bereits Feuerholz aufschichtete.
    »Hast du nicht geschlafen?« fragte er.
    »Es drängt mich, von hier fortzukommen«, antwortete Philipp und lächelte, als fände er diesen Drang lächerlich. »Ich habe das Gefühl, daß hier etwas Unangenehmes auf uns lauert.«
    »Erwartest du, daß Berisades uns überfällt?«
    »Nein.« Philipp schüttelte den Kopf. »Nein, wenn er so etwas vorgehabt hätte, wären wir bereits tot. Das nicht, aber etwas…«
    Auf dem Ritt nach Heraklea Sintika schien er diese Ahnung schon wieder vergessen zu haben. Er scherzte mit den Soldaten seiner Eskorte und

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