Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
Vom Netzwerk:
Philipps Anspruch auf die Würde des Wohltäters etwa größer als der seine? Wer war denn Philipp ) daß er verzeihen oder verurteilen konnte, während Arrhidaios das Gefühl gegeben wurde, er sei Philipps Gnade auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? Es war einfach unerträglich.
    Dergestalt war sein Gemütszustand, als er am Nachmittag desselben Tages einen zweiten Besucher empfing, diesmal seinen Freund Demosthenes.
    Philipp war nicht der einzige, der Erfolg gehabt hatte, seit die drei sich vor so vielen Jahren auf den Stufen vor Aristodemos’ Haus begegnet waren. Demosthenes hatte es in den Gerichtssälen zu etwas gebracht, hatte beträchtlichen Reichtum angehäuft und stand, was zumindest für ihn am wichtigsten war, in dem Ruf, einer der bedeutendsten Lenker des Athener Staates zu sein. Allerdings wirkte er immer noch so, als wäre er beständig unzufrieden. Als er nun auf einer Bank in Arrhidaios’ Empfangszimmer saß, sah er, trotz all der Goldfäden im Saum seiner Tunika, so aus, als hätte das Leben ihn grausam enttäuscht.
    »Ich habe gehört, daß man dich beglückwünschen muß«, sagte Arrhidaios nach einer Weile, denn es hatte den Anschein, als würde sein Gast nie den Mund aufmachen. »Jeder redet nur von deiner Anklage gegen Androtion. Deine Reden werden überall zitiert.«
    »Der Mann ist ein Narr«, entgegnete Demosthenes, als wäre das eine unbestreitbare Tatsache und zugleich ein Makel, der seinem Sieg die Süße nahm. »Nach all den Jahren bildet er sich immer noch ein, er könnte gegenüber den Persern eine Politik der Konfrontation verfolgen. Kannst du dir das vorstellen? Eines Tages werde ich es schaffen, ihn aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.«
    »Man fragt sich, was du dann tun wirst.« Als der große Staatsmann erstaunt eine Augenbraue hob, lächelte Arrhidaios nur und fuhr fort: »Es sieht so aus, mein Freund, als würde nur der Haß dich am Leben halten. Was wird aus dir werden, wenn du all deine Feinde besiegt hast?«
    Nun war es Demosthenes, der verhalten lächelte, so als gestände er ein, daß diese Beobachtung nicht unberechtigt war.
    »Dann werde ich Athens Feinde zu den meinen machen und sie besiegen. Es gibt davon so viele, daß sie mir genügen sollten.«
    »Es ist durchaus möglich, daß ihr bald einen weniger habt.«
    Falls sich aber Arrhidaios erhofft hatte, seinen Gast zweimal zu überraschen, so wurde er enttäuscht, denn Demosthenes’ Miene zeigte nicht die geringste Veränderung. Einen Augenblick lang war Arrhidaios nicht einmal sicher, ob sein Freund ihn überhaupt gehört hatte.
    »Daraus schließe ich, daß du von deinem Bruder, dem König von Makedonien, Nachrichten erhalten hast.«
    In Demosthenes’ Stimme schwang eine gewisse resignierte Langeweile mit, als wäre die Welt so berechenbar geworden, daß er es kaum mehr ertrug, in ihr zu leben, aber natürlich hatte man ihm bereits von Philipps Brief berichtet. Arrhidaios vermutete schon seit langem, daß seine Diener bezahlt wurden, um ihn auszuhorchen; er hatte nur nicht erwartet, daß sie von Demosthenes bezahlt wurden.
    »Hat er dich eingeladen, nach Hause zurückzukehren? Was hat er dir versprochen? Was es auch ist, du wärst ein Narr, wenn du es annimmst.«
    »Du bist mir heute mit deinem Narrentitel etwas zu schnell bei der Hand«, erwiderte Arrhidaios, doch er war nicht wirklich verärgert, nicht einmal über die Tatsache, daß sein Freund einen Spitzel in seinem Haushalt versteckt hatte. »Aber ich bin neugierig. Warum wäre ich ein Narr?«
    »Weil Makedonien im Augenblick zu viele Feinde hat aber keinen mächtigen Freund, der sie in Schach halten kann. Für jeden, der sich die Mühe macht, genauer hinzusehen, ist doch offensichtlich, daß Philipps Herrschaft kein Jahr mehr dauern wird. Und wenn du zurückkehrst, wirst du höchstwahrscheinlich sein Schicksal teilen. Vorausgesetzt natürlich, daß er dich nicht schon an der Grenze umbringen läßt.«
    »Und warum sollte er mich umbringen lassen?« Zuerst kam als Antwort nur ein grausames, kurzes Auflachen.
    »Mein lieber Arrhidaios, ich hätte geglaubt, daß man das einem Angehörigen deiner Familie nicht zu erklären braucht.« Demosthenes schüttelte den Kopf, und es schien, als wollte er schon wieder in Gelächter ausbrechen, doch dann wurde er unvermittelt sehr ernst. »Welcher König kann die Anwesenheit eines Rivalen ertragen, und wie kann dein Bruder in seiner bedrohten Lage es sich leisten, dich am Leben zu lassen, wenn dein Anspruch auf den

Weitere Kostenlose Bücher