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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Thron so viel wert ist wie seiner? Nein, mein Freund, wenn du zurückkehrst, bist du so gut wie tot.«
    Nun wurde Arrhidaios doch angst und bange. Aber es konnte nicht wahr sein…
    »Ich kenne Philipp schon mein ganzes Leben lang«, sagte er mit versteinertem Gesicht. »Er liebt mich. Und außerdem ist er kein Verräter. Es liegt einfach nicht in seinem Wesen, mich so zu hintergehen.«
    »Du kennst ihn nur aus der Zeit, als ihr beide Knaben wart. Aber jetzt ist er kein Knabe mehr. Er ist ein König. Und die Königswürde verändert einen Mann. Sie läßt ihn vieles anders sehen; deshalb hat Athen das Königtum schon lange abgeschafft. Du kannst dein Leben nicht an den Eindrücken deiner Kindheit ausrichten. Und außerdem, deinen Vetter Pausanias hat er bereits töten lassen.«
    Arrhidaios kannte diese Geschichte wohl. Aber das war doch etwas ganz anderes. Das war…
    »Pausanias hat Verrat begangen. Noch zu Alexandros’ Zeit hat Pausanias sich zum rechtmäßigen König erklärt und das Volk zum Aufstand angestiftet. Und außerdem…«
    »Und außerdem war Pausanias nicht Philipps lieber Bruder und Freund«, unterbrach ihn Demosthenes mit einem Ausdruck mitleidiger Verachtung. »Aber die Könige von Makedonien sind nicht gerade dafür berühmt, daß sie solche Bande der Zuneigung in hohen Ehren halten. Und vergiß nicht, Philipp sitzt alles andere als bequem auf seinem Thron – da wird er es mit der Bestimmung des Begriffs Verrat nicht so genau nehmen.«
    Eine Dienerin kam mit einem Krug Wein und zwei Trinkschalen ins Zimmer. Gast und Gastgeber saßen sich schweigend gegenüber, während das Sklavenmädchen das Tablett auf dem Tisch abstellte und dann auf bloßen Füßen lautlos wieder hinausging. Die Unterbrechung hatte nicht länger als eine halbe Minute gedauert, aber das reichte Arrhidaios, um sich zu besinnen und auf sein gescheitertes Leben zurückzublicken.
    Er wußte nicht, ob er Demosthenes trauen konnte oder nicht, aber Vertrauen war in diesem Fall keine Vorbedingung für Glauben, und er glaubte, daß Demosthenes durchaus, aus ganz persönlichen Gründen, die Wahrheit sprechen konnte. Auf jeden Fall erkannte Arrhidaios jetzt, daß er naiv gewesen war, sich vorzustellen, er könnte einfach nach Makedonien zurückkehren und dort sein altes Leben wiederaufnehmen.
    Er wußte nicht, ob er Philipp für so kaltblütig halten sollte, daß er ihn nach Hause zurückrief und dann ermorden ließ. Er glaubte es eigentlich nicht. Aber er erkannte auch, daß es in seinem Interesse war, es zu glauben, und er wollte es glauben. Er wollte eine Entschuldigung, um sich nicht dem Willen und dem unsicheren Geschick seines Bruders unterwerfen zu müssen. Er merkte,daß er gar nicht die Absicht hatte, Philipps treuer Untertan zu sein, und vielleicht rechnete auch Philipp nicht mehr mit seiner Treue. Es war beinahe eine Erleichterung, anzunehmen, daß sein Bruder vielleicht schon einem Mörder den Dolch in die Hand gegeben hatte.
    Manchmal dauert es nicht mehr als eine halbe Minute und man hat plötzlich sein gesamtes Leben klar vor Augen.
    »Was würdest du mir also raten?« fragte er, als sie dann wieder allein waren. Dabei fiel ihm auf, daß Demosthenes ihn beobachtete wie ein Fuchs ein Hühnchen. »Wenn ich in Athen bleibe, wenn ich seine Einladung ausschlage, dann wird Philipp mich mit Sicherheit zu seinen Feinden zählen.«
    »Das tut er höchstwahrscheinlich bereits jetzt.« Demosthenes lächelte wie über einen Sieg. »Aber ich würde dir auch gar nicht empfehlen, in Athen zu bleiben. Ich glaube, du solltest nach Makedonien zurückkehren.«
    Zuerst starrte Arrhidaios seinen Gast nur verständnislos an, als hätte er ihm ein unlösbares Rätsel gestellt, doch dann wurde ihm unvermittelt die ganze Tragweite dieses Vorschlags bewußt.
    »Ich frage mich, mein Freund Demosthenes«, sagte er schließlich, »ob du vielleicht zum Abendessen bleiben könntest.«
     
    Obwohl Aristoteles formell noch immer Student war, besuchte er keine Vorlesungen mehr. Er behielt sein Zimmer in der Akademie und benutzte auch ausführlich ihre Bibliothek, um seine eigenen Studien in Biologie und Politik voranzutreiben, aber es gab kaum einen Lehrer mehr, von dem er glaubte, noch etwas lernen zu können. Und dies war nicht einfach die Eitelkeit eines hochbegabten, aber eingebildeten jungen Mannes. Platon war alt geworden und nahm kaum noch an den Gesprächsrunden teil, und die geistigen Vorlieben der Jüngeren, die seine Nachfolge antreten sollten,

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