Der Makedonier
und dann räusperte sich Xophos, der womöglich nur durch Zufall ihr Sprecher geworden war.
»Mein Gebieter Bardylis«, sagte er, »König der Dardaner und vieler anderer Stämme, blickt nicht ohne Mitleid auf seinen geliebten Urenkel herab und ist bereit, ihm ein Friedensangebot zu machen…«
»Und was ist der Preis für das Mitleid des Königs«, unterbrach ihn Philipp, die Augen argwöhnisch zusammengekniffen. »Der Bardylis, an den ich mich erinnere, hätte seine ganze Familie verkauft, nur um seine Grenze um ein paar hundert Schritt zu erweitern. Was genau sind denn Urenkel im Augenblick wert?«
Menelaos, der knapp hinter ihm stand, lachte kurz auf, doch Philipp lächelte nicht einmal.
»Was ist der Preis, Xophos? Was will der alte Dieb als Gegenleistung?«
»Was für ein Preis, Herr?« Xophos und die anderen machten ein entrüstetes Gesicht angesichts dieses empörenden Mangels an ländlicher Ergebenheit. Sehr überzeugend wirkten sie allerdings nicht. »Er verlangt keinen Tribut und auch keine Gebietsabtretung. Er ist zufrieden, wenn alles so bleibt, wie es ist.«
»Ach, das ist es also!« Philipp schüttelte den Kopf. »Solange mein Urgroßvater behalten darf, was er gestohlenhat, ist er bereit, nicht noch mehr zu stehlen. Ich bin voller Bewunderung für seine Großzügigkeit.«
»Es ist ein gutes Angebot und freundlich gemeint. König Philipp wäre gut beraten, es anzunehmen.«
Xophos sah kurz zu Menelaos hinüber, dem er seine Leichtfertigkeit offensichtlich noch nicht vergeben hatte, wandte sich dann aber mit einem vielsagenden Achselzucken wieder an Philipp.
»Außerdem«, fuhr er fort, »warum solltest du Krieg wollen, wenn doch keine Scholle deines eigenen Landes bedroht ist?«
»Nicht? Du überraschst mich«, erwiderte Philipp und sah dabei kein bißchen überrascht aus. »Ich darf dich daran erinnern, daß ich König von Makedonien bin.«
Die Illyrer sahen verständnislos drein, so als wüßten sie nicht, was er meinte. »Ja, aber Lynkestis…«
»Lynkestis, mein lieber Xophos, ist Teil von Makedonien. Es war schon immer Teil von Makedonien. Die Lynkestis sind Makedonier – meine Untertanen, denn wie mein Vater vor mir bin ich König aller Makedonier. Von mir erwarten sie Schutz und die Beseitigung von Mißständen, und ihnen und den unsterblichen Göttern habe ich meinen Eid als König geleistet. Du kannst Bardylis berichten, daß es nicht in meiner Macht steht, einem anderen König auch nur einen Pferdetrog voll geheiligter makedonischer Erde abzutreten.«
»Lautet so deine Antwort, mein König?« Xophos trug eine Miene gesetzter Feierlichkeit zur Schau, als hätte er eben eine geschmacklose Torheit miterlebt.
»Nur noch eins.« Philipp nahm sein Schwert zur Hand, das wie zufällig auf seinem Schreibtisch lag und hielt es den Illyrern hin, als wollte er sie die Klinge bewundern lassen. »Am Tag meiner Wahl habe ich diese Waffe im Tempel des Herakles gewaschen, das ist ein uralter Ritus der makedonischen Könige.«
Langsam hob er die Spitze, bis sie nur noch einen Fingerbreit von Xophos’ Kehle entfernt war.
»Wenn der Schnee schmilzt, werde ich es wieder waschen, doch diesmal im Blut der Illyrer.«
Einen Augenblick rührte sich keiner. Xophos sah aus, als glaubte er, die Stunde seines Todes sei gekommen. Dann ließ Philipp das Schwert sinken und lächelte. »Meine Herren, die Unterredung ist beendet.« Nachdem die Illyrer gegangen waren, legte Philipp das Schwert behutsam auf den Schreibtisch zurück und ließ sich in einen Stuhl fallen.
»Ich hatte schon Angst, du würdest annehmen«, sagte Menelaos nach einer Weile, vielleicht nur, um seine eigene Stimme zu hören.
»Was für einen Sinn hätte das denn gehabt? Ich bin mir sicher, daß Bardylis mir diese Abordnung nicht geschickt hat, weil er glaubte, ich würde annehmen. Er ist ein gerissener alter Halunke und hat zweifellos erreicht, was er wollte: Seine Botschafter haben sich umgesehen und können jetzt wieder nach Hause gehen.«
»Und jetzt wird es mit Sicherheit Krieg geben.« Einen Augenblick lang sah Philipp aus, als hätte er ihn nicht gehört, doch dann nickte er sehr langsam und bedächtig. »Ja. Jetzt wird es Krieg geben.«
Zwei Tage vor dem geplanten Aufbruch der inzwischen achttausend Mann starken makedonischen Armee nach Norden kam einer der Wachsoldaten bei Tagesanbruch in Philipps Zelt, um ihm zu berichten, daß sein prächtiger schwarzer Hengst Alastor tot sei.
»Er ist einfach zusammengebrochen.« Der
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