Der Makedonier
vertieften Pleuratos’ Haß auf seinen Großvater nur noch, so daß am Ende allein schon die Stimme des alten Königs ihn störte wie das Schaben einer Zimmermannsfeile.
Er war deshalb mehr als glücklich, die Annehmlichkeiten des Hofes gegen die Beschwernisse des Feldes eintauschen zu können. Ihm machte der Schlamm nichts aus und auch die beinahe täglichen Wolkenbrüche nicht, nach denen man, frierend und naß bis auf die Haut, nicht einmal ein Stückchen trockenes Feuerholz fand. Er hatte das Gefühl, daß jeder Tagesmarsch ihn einen Tag näher an den entscheidenden Sieg heranführte, der seinen Großvater für immer zum Schweigen bringen würde. Beim letzten Mal hatte Bardylis über die zurückliegende Schlacht mit den Makedoniern geredet, als hätte er, Pleuratos, verloren und nicht Perdikkas, dessen Leiche er auf dem Rücken eines Packpferdes nach Hause gebracht hatte, aber sein bevorstehender Sieg über Philipp würde keine Tatsachenverdrehungen mehr zulassen. In wenigen Monaten, wenn Lynkestis nur noch eine illyrische Provinz sein und es zwischen den Bergen und dem Meer keine Makedonier unter Waffen mehr geben würde, dann würden dem alten Mann die Worte ausgehen. Das wäre dann fast so gut, als wäre er tot – in gewisser Hinsicht vielleicht sogar besser.
Als sie schließlich das erste illyrische Lager auf lynkestischem Boden erreichten, hatte der Regen aufgehört. Der Boden war zwar noch ein Meer aus Schlamm, aber der Schnee war verschwunden. Ein paar Tage Sonnenschein, und der Schlamm würde trocknen.
»Philipp ist seit einem halben Monat in Pisoderi. Es heißt, daß er fast achttausend Mann bei sich hat.«
Pleuratos erhielt diese Meldung, noch bevor er vom Pferd gestiegen war. Der Garnisonshauptmann, der seine Stellung Pleuratos’ Gunst verdankte, sah aus, als fürchtete er, ausgepeitscht zu werden, weil er schlechte Nachrichten überbrachte.
»Ich hätte gar nicht gedacht, daß überhaupt noch achttausend Makedonier übrig sind.« Der Erbe von Bardylis’ Reich lachte, doch seine zusammengekniffenen Augen verrieten, was in ihm vorging. »Wieviel Reiterei hat er?«
»Das weiß ich nicht.«
»Soll das heißen, daß du nicht daran gedacht hast, Spähtrupps auszuschicken, um das herauszufinden?«
»Die Makedonier haben alle Zugänge in den Süden versperrt. Für einen Durchbruch hätte ich mehr Männer gebraucht, als ich habe.«
Pleuratos überlegte sich, den Mann nun doch auspeitschen zu lassen. Er stieg von seinem Pferd und ging wortlos in die hastig errichtete Holzhütte, die den Führungsstab der Garnison beherbergte. An diesem Abend nahm er einen Krug Wein mit ins Bett und trank beinahe bis zum Tagesanbruch. Am Morgen hatte dann niemand den Mut, ihn zu wecken, und so schlief er bis kurz vor Mittag.
Er hatte schreckliche Kopfschmerzen, als er aufwachte, doch seine Laune hatte sich gebessert. Es schien ihm nun nicht mehr wichtig zu sein, daß Philipps Armee fast so groß war wie seine eigene. Philipp war ein grüner Junge, der kaum wirkliche Kriegserfahrung vorzuweisen hatte; ein paar billige Siege machten aus ihm noch keinen großen Feldherrn.
»Seine Soldaten sind zum größten Teil unerfahren«, sagte er zu seinen Offizieren. »Schließlich sind die besten Einheiten der Makedonier mit Perdikkas untergegangen.«
Als man ihm so behutsam wie möglich zu verstehen gab, daß diese grüne Armee die viel größere Truppe Paioniens geschlagen hatte, war Pleuratos mit der Antwort schnell bei der Hand. »Lyppeios ist ein solcher Narr, daß er nicht einmal gegen ein Bordell einen erfolgreichen Angriff führen könnte. Meine Tochter hat sich schon mehrmals geweigert, ihn zu heiraten, obwohl er doch aussieht wie ein Gott. Das sollte euch etwas über seine Eroberungskünste sagen. Ich glaube nicht, daß wir aus Lyppeios’ Niederlage eine Lehre ziehen können.«
Er sah sich herausfordernd in der Runde um, und als er merkte, daß keiner ihm zu widersprechen wagte, nickte er.
»Da der junge Philipp so versessen ist auf einen Kampf, werden wir ihm den Gefallen tun. Wir werden unseren Männern eine zehntägige Ruhepause gönnen und dann nach Süden marschieren. Ich schwöre euch, in einem halben Monat wird die Straße nach Pella verstopft sein mit toten Makedoniern.«
Deucalion hatte sein Versprechen gehalten und sich mit einer Armee von fast elfhundert Männern, darunter hundert Reiter, in dem Sammellager vor Pisoderi eingefunden. Zu seinem Gefolge gehörten fast alle Edelleute der Eordioten, von
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