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The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)

The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)

Titel: The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Winnacker
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Eins
    3 Jahre, 1 Monat, 1 Woche und 6 Tage, seit ich zum letzten Mal Tageslicht gesehen hatte. Ein Fünftel meines Lebens.
    »Wir haben kein Essen mehr«, sagte Dad, als er aus der Vorratskammer trat. Er vermied es, uns anzusehen. Ganz besonders Mom, weil er sich schämte, das auszusprechen, was wir schon seit einiger Zeit wussten. Wir hatten lange genug versucht, uns etwas vorzumachen, aber wir waren ja nicht blind.
    Nur bitte, bitte, nicht schon wieder ein Streit.
    Mom sah vom Boden unserer behelfsmäßigen Küche auf, hörte auf zu putzen und stellte den Mopp beiseite. Ich beobachtete, wie sich eine kleine Pfütze darunter bildete. Ihre ungewaschenen blonden Haare fielen schlaff auf ihre Schultern. Beim Anblick ihres erschöpften Gesichts krampfte sich mein Magen zusammen.
    »Was redest du denn da? Es müsste doch noch mindestens acht Monate reichen.«
    Es war schon erstaunlich, wie leicht ihr diese Lüge über die Lippen kam – als wäre sie sich dessen gar nicht bewusst. Sie wischte sich die Hände an der Schürze mit dem Blumenmuster ab – es waren genau 89 Blumen, ich hatte sie gezählt. Dann trat sie in die Vorratskammer. Gleich ging’s los.
    1 139 Tage, seit ich die Stimmen meiner Freunde zuletzt gehört hatte. Seit ich den Himmel gesehen hatte.
    Mit in die Hüften gestemmten Armen starrte sie Dad an. Ihre Augenbrauen zogen sich zu einer einzigen wütenden Linie zusammen. »Wir haben doch Vorräte für vier Jahre eingelagert. Das hast du selbst gesagt.«
    Dad seufzte. Er lehnte sich gegen ein Regal und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Wir müssen uns irgendwie verrechnet haben. Vielleicht haben wir mehr gegessen als geplant.«
    So fing es immer an: Auf Anschuldigungen folgten empörte Zurückweisungen, Geschrei und schließlich Tränen. Danach ignorierten sie sich stundenlang und straften sich gegenseitig mit Schweigen. Heute war der 996. Tag, an dem sie sich stritten.
    996 von 1 139 Tagen. Kein schlechter Schnitt. Na ja, es kam darauf an, wie man es sehen wollte. Noch vier Tage, und sie würden die 1000 geschafft haben. Ob wir das feiern sollten? Manchmal fragte ich mich, ob ihnen überhaupt bewusst war, wie oft sie sich anschrien. Vielleicht war es ihnen egal. Oder es war ihre Methode, die Zeit totzuschlagen.
    22 336 Stunden, seit ich zum letzten Mal frisch gemähtes Gras gerochen oder ein Eis gegessen hatte.
    »Du hast ausgerechnet, wie viele Vorräte wir brau chen! Du ganz allein!« Mit einem leicht zitternden Zeigefinger deutete Mom anklagend auf Dad. Ein Schweißtropfen rann ihre Stirn hinunter und glitzerte im künstlichen Licht. Der Stromgenerator, der die Klimaanlage versorgte, hatte kaum noch Energie. Ich trat schneller in die Pedale, und die Luft wurde wieder kälter.
    »Das Essen wird vier Jahre reichen, hast du gesagt. Das hast du gesagt«, rief Mom mit verzerrtem Gesicht. »Vier Jahre!«
    Ihre schrille Stimme ließ mich zusammenzucken. Es war nur eine Frage von Sekunden, bevor sie in Tränen ausbrechen würde.
    Dad warf mit einem frustrierten Gesichtsausdruck die Arme in die Höhe. »Tja, offensichtlich habe ich mich geirrt. Die Kinder sind gewachsen. Sie haben mehr gegessen, als wir gedacht haben!« Er hob die Stimme, so dass sie den kleinen Raum erfüllte und von den sterilen weißen Wänden widerhallte.
    1 640 160 Minuten, seit ich zum letzten Mal gerannt war, seit der Wind mein Haar zerzaust hatte, seit ich einen Menschen gesehen hatte, der nicht zu meiner Familie gehörte.
    »Dein Vater ist vor sechs Monaten gestorben. Sein Anteil hätte das mehr als wieder wettmachen müssen!«, schrie Mom.
    Grandma zuckte zusammen, strickte aber weiter. Sie hörte eigentlich nie auf zu stricken. Jetzt bewegten sich ihre Hände sogar noch schneller. Die Nadeln klickten, als sie Masche um Masche aneinanderreihte.
    Klick. Klick.
    Hätten wir so viel Essen mitgenommen wie Grandma Wolle, dann hätten sie sich diesen Streit sparen können. Im Vorratsraum lag ein Wollvorrat, der wohl ein Jahrzehnt gereicht hätte. Ich warf einen Blick auf die große Kühltruhe – Grandpas letzte Ruhestätte. Bis vor drei Monaten hatten wir die eingefrorenen Lebensmittel neben ihm gelagert. Mit einem Schaudern trat ich noch schneller in die Pedale, wobei ich das Brennen in den Beinen nicht weiter beachtete. Schweißtropfen liefen meine Waden hinunter.
    98 409 600 Sekunden, seit ich zum letzten Mal die Sonne auf meiner Haut gespürt hatte.
    98 409 602 Sekunden, seit die schwere Stahltür ins Schloss gefallen war und uns

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