Der Makedonier
denen viele gegen Philipp gekämpft hatten, die aber jetzt ihre einstigen Gegner mit der Begeisterung von Waffengefährten begrüßten.
Drei Tage nach seiner Ankunft begleitete Deucalion zusammen mit den anderen Truppenführern Philipp auf einen Erkundungsritt zum nordwestlichen Rand des Lagers, der nur noch etwa eine Stunde von der Stelle entfernt war, wo die illyrische Armee auf der Lauer lag wie eine Katze vor dem Mauseloch. Hin und wieder sahen sie in der Entfernung sogar Patrouillen, die immer kurz stehenblieben, vermutlich um zu zählen, und dann schnell davonritten, als hätten sie Befehl, jeden Zusammenstoß mit den Makedoniern zu vermeiden.
»Sie warten ab«, sagte Philipp. »Sie vermeiden es, uns zu reizen, damit wir nicht zum Angriff übergehen. Sie wollen sich die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen lassen. Mir soll das recht sein, vorausgesetzt, wir dürfen uns das Schlachtfeld aussuchen. Sollen sie ruhig glauben, sie könnten bestimmen, wann der Kampf stattfinden soll, solange wir sagen können, wo.«
Seine Offiziere wechselten Blicke, sagten aber nichts; Philipp dachte nur laut. Sie kannten die eigenartigen Gewohnheiten ihres Herrn und wußten, daß er ihnen seine Absichten erläutern würde, wann er es für angebracht hielt.
Als sie zwei Stunden später eine breite Wiese überquerten, die aus einem Einschnitt zwischen zwei Bergen herauszufließen schien wie Wasser aus einem zerbrochenen Krug, grub Philipp plötzlich die Fersen in die Flanken seines Pferdes und galoppierte so schnell davon, daß seine Begleiter Mühe hatten, ihm zu folgen. Nach etwa dreihundert Schritt zog er unvermittelt die Zügel an undwendete. Deucalion sah, daß er lachte, obwohl das Geräusch im Donnern der Hufe unterging. Augenblicke später sprengte er ebenso unvermittelt in seitlicher Richtung davon. Anscheinend wollte er sie zu einer Verfolgungsjagd herausfordern.
Das Spiel, falls es überhaupt ein solches war, dauerte etwa eine halbe Stunde. Männer jagten auf ihren Pferden kreuz und quer über das weite Grasland, als hätten sie nichts anderes im Sinn denn ihre Pferde zu ermüden.
Doch so unerwartet, wie es begonnen hatte, endete es auch wieder. Plötzlich schwang Philipp ein Bein über sein Pferd und sprang zu Boden. Als seine Offiziere ihn erreichten, saß er bereits, zufrieden auf einem Grashalm kauend, auf der Erde.
»Die Schlacht wird hier stattfinden«, sagte er und deutete mit weit ausholender Geste über die Wiese und hinauf zu der Lücke zwischen den Felswänden. »Es gibt nicht mehr als zwei oder drei Stellen, an denen Pleuratos es wagen kann, mit seiner gesamten Streitmacht nach Süden vorzustoßen, außer er hat vor, seine Männer im Gänsemarsch durch Lynkestis zu führen. Und wir müssen ganz sichergehen, daß sie über diesen Paß kommen. Hier werden wir sie erwarten.«
Deucalion wollte etwas sagen, doch ein Blick von Lachios brachte ihn zum Schweigen. Lachios stand dem König näher als irgendein anderer, er wußte, was sein Herr dachte und wie er aufgelegt war, wußte, wann man sprechen durfte und wann man besser den Strom seiner Gedanken ungehindert fließen ließ.
»Wir werden die anderen Stellen befestigen«, sagte er, während er den Wasserschlauch nahm, den einer ihm hinhielt, und sich den Staub aus der Kehle spülte. »Diese hier natürlich auch, aber die Lücke ist so breit und die Berge so niedrig, daß Pleuratos erkennen wird, daß wir sie unmöglich verteidigen können. Er wird natürlich einen Hinterhalt vermuten, und selbstverständlich werdenwir seine Spähtrupps in hitzige kleine Gefechte verwickeln, nur um ihn zu beruhigen. Pleuratos ist im Grunde genommen ein dummer Mensch und wahrscheinlich ein Feigling. Ich möchte nicht, daß er im letzten Augenblick in einem Anfall schwachsinniger Vorsicht kneift.«
»Was glaubst du, welche Vorteile diese Stelle uns bietet?« fragte Korous. Es war nur eine Frage, die Frage jedoch, die allen durch den Kopf ging. Alle erwarteten, daß Philipp darauf eine Antwort hatte, und waren überrascht, als er den Kopf schüttelte.
»Keinen. Wir werden ihm keine Fallen stellen, wie ihr vielleicht gedacht habt. Wir werden den Illyrern das geben, was sie wollen, aber wahrscheinlich nicht erwarten, nämlich die Gelegenheit zu einem Kampf unter gleichen Bedingungen. Der Boden ist eben, und man muß sich nur ansehen, wie dicht das Gras wächst, um zu wissen, daß er nicht sehr steinig ist. Haben wir nicht gerade bewiesen, wie gut er sich für Reitereinsätze
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