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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Stadien zurückgelegt, als die Dunkelheit ihn zum Anhalten zwang.
    Auch wenn Bardylis es wirklich geschafft hatte, ihm einen halben Tag Vorsprung zu verschaffen, bezweifelte er, daß Pleuratos’ Männer mehr als ein paar Stunden hinter ihm waren. Denn sie konnten ihre Pferde rücksichtslos bis zur Erschöpfung reiten, sie in den illyrischen Dörfern am Weg gegen frische eintauschen und sich dabei nach einem jungen Fremden erkundigen, der allein auf einem schwarzen Hengst unterwegs war. Die Grenze zu Lynkestis, wo König Menelaos vielleicht nicht gerne zusah, wie sein Neffe von Fremden – auch wenn es Illyrer waren – ermordet wurde, war noch mindestens drei Tage entfernt. Vielleicht schon am nächsten Tag, mit Sicherheit aber am darauffolgenden Morgen würden seine Verfolger ihn eingeholt haben. Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang verließ Philipp den Bergpfad, dem er gefolgt war, und fand eine Felsspalte, die ihm eine gewisse Deckung bot. Bis zum Morgen würde er dort sicher sein. Er band Alastor an, wickelte sich in eine Decke und wartete auf die Nacht.
    Als die ersten Sterne sich am westlichen Horizont zeigten, war es bereits schneidend kalt, aber unter diesen Umständen wäre es Wahnsinn gewesen, ein Feuer anzuzünden. Philipp erinnerte sich, einmal gehört zu haben, daß ein Mann nicht erfrieren kann, solange er wach bleibt, und er suchte sich deshalb ein besonders steiniges und unbequemes Fleckchen für seine Nachtwache. Er vertrieb sich die Zeit, indem er über das Ausmaß der Verschwörung gegen ihn nachsann.
    Da Pleuratos kein eigenes Motiv hatte, das die Risiken gerechtfertigt hätte, mußte ihn jemand bestochen haben, Philipp ermorden zu lassen. Und die Belohnung, die ihm dafür winkte, mußte eine sehr ansehnliche sein.
    Aber was konnte es sein? Geld? Macht? Nein. Ein Mann, der schon beinahe der Herrscher der Dardaner ist, begeht keine solche Tat wegen etwas so Lächerlichem wie Geld, und der einzige Mensch, der Pleuratos’ Macht vergrößern konnte, war Bardylis. Wie Philipp die Sache auch drehte und wendete, er konnte keinen Grund entdecken, warum Bardylis ihm erst zur Flucht hätte verhelfen sollen und ihn dann verraten. So blieb als Motiv nur Landgewinn.
    Wer würde den Dardanern Land anbieten, damit sie den Tod eines obskuren Prinzen bewerkstelligten? Nur jemand unter den Makedoniern. Und wer unter den Makedoniern war in der Lage, ein solches Angebot zu machen? Nur Alexandros und sein Unterhändler Ptolemaios. Daß Ptolemaios darin verwickelt war, bezweifelte Philip keinen Augenblick. Aber Alexandros? Sein eigener Bruder?
    Nicht, daß so etwas noch nie vorgekommen wäre.
    Wenn Alexandros seinen Tod wollte, dann konnte Phi lip überleben, wenn er ins Exil ging und nie zurückkehrte. Es war ein schmerzlicher Gedanke.
    Aber war so etwas denn möglich? Alexandros? Er liebte Alexandros. Philipp würde bereitwillig sein Leben für ihn opfern, und Alexandros wußte das.
    Nein, er brachte es nicht übers Herz zu glauben, daß Alexandros zu einer solchen Niederträchtigkeit fähig wäre.
    War es dann möglich, daß Ptolemaios, aus einem Grund, den nur er selbst kannte, auf eigene Verantwortung gehandelt hatte?
    Philipp fiel auf, daß er den Prinzen Ptolemaios kaum kannte, daß sein Vetter und Schwager, in dessen Umgebung er nahezu sein ganzes Leben verbracht hatte, ein Mensch war, der sogar für diejenigen, die ihm in Blutsverwandtschaft und Gefühl am nächsten standen, ein unerklärliches Geheimnis blieb. Er mochte Ptolemaios, der liebenswürdig und ein angenehmer Gesprächspartner war, aber er konnte nicht behaupten, ihn zu verstehen. Gewisse Männer haben keine Vertrauten. Gewisse Gehirne sind so undurchdringlich wie Stein.
    Ja, es war möglich. Auf einmal und mit der Wucht einer Offenbarung sah er, daß es möglich war.
    Während er so in der eiskalten Dunkelheit saß, wurde ihm plötzlich schwindlig vor Grauen. Und gleichzeitig spürte er, daß alle Angst – zumindest jene Angst vor dem Tod, die die Seele lahmt – ihn verlassen hatte. Die Gefahren, die ihm, seiner Familie, seinem König und Volk drohten, waren von einer Größe, die sein persönliches Überleben, auch für ihn selbst, zu etwas Geringfügigem schrumpfen ließen. Vielleicht hatte niemand sonst auf der Welt auch nur eine Ahnung von der Wahrheit.
    Noch nie hatte er sich so allein gefühlt wie in diesem Augenblick.
    Doch dann hörte er irgendwo in der Ferne den Schrei einer Eule, und er wußte, daß er nicht ganz verlassen

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